Maske der Gleichgültigkeit

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Henrietta Lockwood, 32 Jahre alt, lebt nach starren Regeln und scheut Kontakte. Nur ihre Eltern zählen zu ihren festen Kontakten, aber auch dieses Verhältnis ist unterkühlt und wirkt erzwungen. Sie hat ihren Job verloren, da sie anderen Menschen gegenüber empathielos ist und sich auch so verhält. Ihr einziger Freund ist ihr Hund Dave, der auch ein Außenseiter ist, da Henrietta ihn als unverträglich deklariert und mit ihm nur ihre eigenen Wege geht.
Nun hat Henrietta einen neuen Job bei einer palliativen Krebsambulanz gefunden, sie soll die Lebensgeschichten todgeweihter Menschen aufschreiben, damit diese etwas für ihre Nachwelt hinterlassen. Hier kommt nun die zweite Hauptprotagonistin zum Zug, denn Annie Doyle hat nur noch ein paar Wochen zu leben. Sie hatte ein schweres Leben, keine Kinder und möchte ihren Freunden ihre Geschichte präsentieren, die von zwei besonders schweren Schicksalsschlägen geprägt ist. Annies Schwester, mit der sie sich sehr gut verstand, verschwand spurlos und galt als im Kanal ertrunken. Die zweite Katastrophe war ihre Ehe mit einem Mann, der sie ständig schikanierte und sie als sein Eigentum betrachtete. Sie schaffte es nicht, sich von ihm zu lösen, bis das Schicksal sie durch einen Unfall von ihrem Peiniger befreite.
Durch die Auseinandersetzung mit Annies Leben kommen sich die beiden Frauen näher und Henrietta erkennt Parallelen zu ihrem eigenen Leben. Genau wie Annie hat sie einen Verlust erlitten, der ihr Leben geprägt hat. Ganz allmählich freunden sich die beiden Frauen an, doch die Deadline kommt bedrohlich näher. Und so erfahren wir als Leser nach und nach die Lebensgeschichte der beiden Frauen und sehen, was sie geprägt hat.
Und ganz allmählich legt Henrietta ihre Maske der Empathielosigkeit ab und empfindet Spuren von Liebe. Das klingt erstmal kitschig, aber das ist es nicht, man kann regelrecht spüren, wie sie anfängt, sich Sorgen zu machen und Interesse am Wohlergehen von Annie zu zeigen. Henrietta kann zum ersten Mal nach 23 Jahren weinen, was mich sehr berührt hat und was ich gut nachempfinden konnte.
Ich fand das Buch sehr spannend, obwohl es kein Krimi ist, denn die Lebenswege, die sich immer mehr füllten, sorgten für Interesse und Neugier. Teilweise haben die Ereignisse mich so berührt, dass ich in Gedanken noch lange damit beschäftigt war.
Bleibt noch zu sagen, dass ich den Schreibstil der Autorin sehr flüssig fand und mich im Café Leben wohlgefühlt habe. Die Autorin konnte die jeweilige Atmosphäre sehr gut einfangen und hat mit diesem Buch ein überzeugendes Erstlingswerk präsentiert.