Rückblick auf ein Leben

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jackolino Avatar

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Henrietta ist Anfang 30, gelernte Bibliothekarin und in ihrem Beruf zunächst einmal gescheitert. Sie ist nicht einfach im Umgang und diplomatisch kann man sie auch nicht gerade nennen.

Sie erhält den Job, in einem neuen Projekt Lebensbücher mit todkranken Menschen zusammenzustellen. Was hat den Menschen ausgemacht, wie verlief sein Leben. Nach einem immer gleichen Muster sollen Kindheit, Jugend, Erwachsenenjahre und später das Alter beschrieben werden und für die Angehörigen eine Erinnerung an ihre Lieben sein.

Eine ihrer ersten Gesprächspartnerinnen ist Annie.

Annie hat Krebs im Endstadium, die Ärzte geben ihr noch ca. 2 Monate. In acht Gesprächen mit Henrietta soll sie ihr Leben Revue passieren lassen und sie hat einiges, was sie sich von der Seele reden will. Da ist zum einen der ungeklärte Verlust ihrer Schwester Kath, da ist aber auch die Ehe mit Terry, die ihr zwar damals die Flucht aus dem Elternhaus ermöglichte, sie aber in neue Zwänge pferchte und ihr kein schönes Leben bescherte. Terry starb vor zwei Jahren bei einem Unfall und sein Tod war für sie eine Erlösung. Endlich konnte sie leben, wie sie es wollte und das tut sie seitdem mit einer neuen Wohnung, mit Designerkleidung aus zweiter Hand, mit Restaurantbesuchen, wenn ihr danach ist. Wie schade, dass diese tolle Zeit nun von ihrer Krankheit beendet wird.

Henrietta trifft Annie zum ersten Mal zum Gespräch und merkt auf Anhieb, dass ihr da einiges verschwiegen wird. Sie geht wie eine Kriminalkommissarin an den Fall heran, prüft die Aussagen auf Plausibilität, fragt an den richtigen Stellen nach. Annie auf der anderen Seite fühlt sich unverstanden, sie wollte sich doch nur ihre Version von der Seele reden und gar nicht so tief in die Geschichte eintauchen. Trotzdem öffnen sie sich beide langsam voreinander, auch Henrietta vor Annie.

Mir hat gefallen, dass mit Henrietta und Annie zwei Charaktere beschrieben werden, die alles andere als stromlinienförmig sind, beide haben reichlich Ecken und Kanten. Beide Protagonisten, sowohl Henrietta als auch Annie sind besonders, wobei natürlich auch ihre Vergangenheit sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Ich habe Annie dafür bewundert, dass sie die schlimmen Jahre mit Terry so tapfer ertragen hat, ihre beiden Fluchtversuche hatten allerdings auch ein jähes Ende gefunden. Terry musste sie unter Kontrolle haben, er war einer von der übelsten Sorte!

Bei Henrietta fand ich toll, dass sie nachgefragt hat. Es stand so nicht in ihrer Stellenbeschreibung und führte bei ihrer Vorgesetzten auch zu Kritik, aber sie ließ Dinge, die ihr nicht plausibel erschienen, nicht einfach so stehen sondern forschte nach. Nur so gelingt ihr dieser versöhnliche Abschluss der Geschichte.

Für mich war es ein absolut lesenswertes Buch, das ich gerne weiterempfehle.