Schwierig zu lesen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
matze08645 Avatar

Von

Der Orden der Unsichtbaren strebt nach der Weltherrschaft und seine schier unbegrenzten Möglichkeiten versprechen Erfolg. Nur ein paar wenige Widerstandskämpfer stellen sich einer Herrschaft des Kollektivs entgegen. In diesem scheinbar aussichtlosen Kampf sieht sich Alexandra Lessing, Tochter des Anführers der Widerständler, nicht nur mit ihrer persönlichen Vergangenheit konfrontiert, sondern muss ebenso weitreichende Entscheidungen über ihre eigene Zukunft und die der Menschheit treffen.

Mit Caligo legt Marc van Allen den dritten Teil seiner Reihe über die Unsichtbaren vor. Dass ich die ersten beiden Teile nicht gelesen habe, beeinträchtigt unter Umständen mein Verständnis für dieses Buch und seine Figuren.

Meinung:
Van Allen schreibt flüssig und gut lesbar. Die Einleitung jedes Kapitels durch Pressemitteilungen oder Tagebucheinträge von Alexandras Vater wertet die Geschehnisse auf, erklärt Hintergründe und schafft Tiefe in der Erzählung. Diese Vorgehensweise hat mir sehr gut gefallen.
Die Kapitel beinhalten ihrerseits mehrere verschiedene Handlungsstränge, zumeist die Seite der Anderen und die des Ordens. Hier wird jeweils angezeigt, an welchem Ort die folgende Handlung spielt und zu welcher Zeit.

Die Aufteilung schafft eine grundsätzliche Übersichtlichkeit, die es angenehm macht, zu lesen und die es dem Leser ermöglicht, das Buch auch mal aus der Hand zu legen, ohne das Kapitel beendet zu haben.

Der Autor schafft in diesem Buch eine zweite Realität, die sich wie ein Dunstschleier über die uns bekannte Welt legt. Dies führt dazu, dass man permanent überlegt, ob das alles nicht doch möglich sein könnte, was wiederum die Spannung erhöht und dem Buch zugute kommt.
Großartig finde ich nach wie vor die Idee, die den Büchern zugrunde liegt und ihre Einbettung in historische Geschehnisse (Tunguska, Area 51). Kreativ empfand ich die „Auflösung“ der allseits bekannten Vorstellung von Aliens.

Kritik:
Es gibt an diesem Buch leider einige Punkte, die ich im Spektrum zwischen „schade“ und „wirklich nervig“ ansiedeln würde, was letztendlich trotz des in diesem Buch steckenden Potentials zu der starken Abwertung führte:

Van Allen scheint Fan starker Redundanz zu sein (oder er hält seine Leser für sehr vergesslich), ich persönlich empfinde es aber als äußerst anstrengend, fast jede Seite auf bereits bekannte Umstände hingewiesen zu werden. Auch muss nicht auf einer Doppelseite mehrfach erklärt werden, wie schnell eine Handgranate explodiert, wenn der Stift gezogen und der Bügel losgelassen wird. Der aufmerksame Leser hat dies nämlich bereits bei der ersten Erklärung verstanden.

Am allermeisten hat mich aber die ständige Wiederholung von zwei Dingen genervt:

Ja, ich weiß, dass Alexandra schwanger ist. Nein, das muss nicht auf jeder Seite wiederholt werden. Und ja, es nervt mich, dass sie ständig „schützend die Hand auf das ungeborene Leben in ihr“ legt und Ähnliches. Das ist einfach zuviel des Guten.

Es wird das ganze Buch über immer wieder vom vereitelten Attentat in New York gesprochen. Während andere Dinge, die in den Vorgängerbüchern passierten, durchaus kurz erklärt werden, bleibt der Leser im Unklaren darüber, was das für ein geplantes Attentat war. Es wird aber einfach zu oft erwähnt, um als unwichtig gelten zu können, so dass ich mir an dieser Stelle eine kurze Erklärung sehr oft gewünscht habe, ohne diese war es reichlich anstrengend, immer wieder von diesem ominösen Attentat lesen zu müssen.

Es bleibt hier nur die Frage, ob mich diese Wiederholungen weniger oder nicht eher noch mehr genervt hätten, hätte ich die Vorgängerbücher gelesen.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Figuren:
Ich weiß nicht, ob Äußerlichkeiten und Charakter in den ersten beiden Büchern weiter ausgeführt werden, was man in diesem Buch über die Protagonisten lernt, hinterlässt allenfalls Antipathie.
Man erfährt über das Aussehen gerade das Notwendigste. Charakterlich lässt sich den Figuren auch wenig fest zuordnen, sie agieren häufig schwammig, so dass man bei einer auf diesem Buch basierenden Charakteristik so seine Schwierigkeiten haben dürfte.
Zu häufig ändern die Personen ihre Meinung oder ihre Art zu handeln, zu wenig wird auf die persönlichen Gründe eingegangen, zu sehr wird zu Lasten der Figuren auf Action Wert gelegt.

Paolo Genaro beispielsweise hat es nicht leicht gehabt, im Buch wurde geschrieben, die Frauen in seinem Leben hätten sich alle von ihm abgewandt. Statt seinen Schmerz, seine Enttäuschung, vielleicht auch seine Wut zu beschreiben und zu erklären, ist dies dem Autor allenfalls ein paar Sätze wert (---die nichtmal deutlich machen, was er nun tatsächlich fühlt, die Aufzählung entspringt meiner Phantasie---), obwohl die Umstände, die zu diesen Empfindungen geführt haben, sich durch das halbe Buch zieht.

Ismael, der wackere Kämpfer, der ebenfalls Enttäuschungen hinnehmen musste... Es wird deutlich, wem seine Liebe gilt. Aber weniger aus seinen Handlungen als viel mehr aus ein paar Worten, einigen wenigen, eher nebensächlichen Sätzen. Hier allerdings mag diese Vorgehensweise, diese nicht-Ausarbeitung eines Charakters noch Sinn machen, wird doch (Hallo, Wiederholung!) immer wieder betont, wie schwer sich die Unsichtbaren mit Emotionen tun, da sie dazu erzogen wurden, diese zu unterdrücken.

Der aus der Leseprobe entstandene Eindruck von Alexandra Lessing als trotzigem Kind hat sich leider durch das ganze Buch gezogen. Das Bisschen, was über ihre Art in diesem Buch klar wird, wirkt auf mich mehr als unsympathisch. Sie wirkt sprunghaft, naiv, egoistisch (dies ändert sich erst auf den letzten 100 Seiten), insgesamt wie jemand, mit dem ich nichts zu tun haben möchte. Sie scheint mehr als die Hälfte des Buches nur ihren eigenen Nutzen im Sinn zu haben und ihrem Vater rein aus Prinzip noch immer böse zu sein.
Anstrengend!

Der Einzige, über den man mehr lernt und der so etwas wie einen Charakter ausbildet, ist Alexandras Vater. Dies allerdings geschieht größtenteils durch die immer wieder eingefügten Tagebucheinträge, die ihn und seine Handlungen logisch und menschlich erscheinen lassen.

Unterm Strich musste ich mich aufgrund dieser Punkte durch das Buch mehr durchbeißen, als dass ich es mit Genuss gelesen hätte. Schade!

Fazit:
Ein Buch mit einer wunderbaren Idee, aber schlechten Figuren und zu hoher Dichte von Wiederholungen. Für Actionliebhaber und Verschwörungstheoretiker sicherlich geeignet, nicht für Leser, die gerne mit ihren „Helden“ mitfiebern, denn dafür müßte man ausgearbeitete, sympathische Helden erstmal haben.