Gothik pur...
Gotik pur ... und doch voller Überraschungen! Das ist Joseph Sheridan Le Fanus "Carmilla". Als Klassiker der queeren Literatur stand das Buch schon lange auf meiner Leseliste und die neue Übersetzung von Eike Schönfeld hat so gleich meine Neugierde geweckt. Besagte Übersetzung kann auch voll überzeugen und übermittelt stimmungsvoll die über 150 Jahre alte Geschichte einer jahrhundertealten Vampirin. Viele Elemente dieser Geschichte sind dabei typisch gotisch - ein abgelegenes Schloss als Handlungsort, mysteriöse Krankheiten und die Referenz auf Märchen und Sagen sowie verschiedenen Aberglauben - doch manches davon überrascht auch: So spielt die Geschichte nicht etwa in einer wilden Region Englands oder Südosteuropas, wie man es vielleicht erwarten würde, sondern in der Steiermark. Die böse Hauptfigur, die gleichzeitig irgendwie doch nicht wirklich als solche überzeugen kann, ist kein Mann, sondern eine Frau, die noch dazu ausschließlich Frauen zu ihren Opfern macht. Trotz der Entstehungszeit sind queere Subtexte hier kaum zu übersehen und auch den Bechdel-Test besteht das Buch ohne Hindernisse, denn die männlichen Figuren treten ohnehin sehr in den Hintergrund. So ist das Buch überraschend modern (noch dazu mit knapp 140 Seiten recht kurz) und hat mir große Lust darauf gemacht, wieder vermehrt Klassiker zu lesen.