Erziehungstheorie trifft Wirklichkeit

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simonsays... Avatar

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 Frau Freitag ist Lehrerin an einer Gesamtschule in Berlin, sie beschreibt episoden- manchmal sehr sprunghaft- ihren Alltag, der zeigt, dass Bildungstheorie und - anspruch immer wieder an der Realität scheitern. Ihre Schüler sind meist Deutsche mit Hartz IV Eltern und  Migrationshintergrund, ein Wort, das Frau Freitag am liebsten abgeschafft sieht, denn es untermauere die Chancenungleichheit. Sie zeigen sich bildungsfern, unrealistisch und belehrungsresistent. Frau Freitag jedoch erklärt sich dies als notwendige Folge ihres fehlenden kulturellen und elterlichen Halts und bemüht sich immer wieder um sie, mal mit interessanten Themen, mal mit disziplinarischen Maßnahmen, mal mit schönen Ausflügen, die sonst jenseits ihres Erfahrungshorizonts liegen würden. Doch langfristig hat sie kaum Erfolge und wären dann nicht ihr Freund, ihre beiden Kolleginnen Frau Dienstag und Frau Krise, würde sie vielleicht aufgeben. Schon jetzt sieht man sie häufig fantasieren, tag träumen, immer wieder stellt sie sich Situationen vor, taucht ab in gedachte Welten. Bedenklich. Immer wieder wird deutlich, dass alle gelernte und bildungspolitisch postulierte Theorie scheitert, was in Bildungsausschüssen schlüssig auf dem Papier formuliert wurde und in die Köpfe von Studenten und Referendare hinein verfrachtet wird, erweist sich als völlig unbrauchbar in der erlebten Praxis. Was jedoch existenziell wichtig zu sein scheint, ist, die Schüler zu mögen. 

Das Buch liest sich teilweise witzig und interessant (vor allem da, wo sie die Schüler zu Wort kommen lässt oder wo sie ihre typischen Kollegen beschreibt), teilweise aber auch langweilig (wenn Samira schon wieder disziplinarisch tätig wird oder wieder ein Elterngespräch beschrieben wird), vielleicht auch das Abbild des Schulalltags.

Ich hatte mir nach der gelungenen Leseprobe mehr versprochen, es fehlt der rote Faden und man ist nicht sicher, ob Frau Freitag nun wirklich gern Lehrerin ist oder ob sie versucht, das ironisierend in Frage zu stellen.