Young Adult Fantasy mit Hormonüberschuss

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melail Avatar

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Zusammenfassung
Die 17-jährige Caroline hat streng genommen nur einen Traum, den sie durch das Jobben in einer Bar zu verwirklichen versucht: sie möchte Pilotin werden.
Damit das Vergnügen zwischen all den Schichten im Hound Dog nicht zu kurz kommt, sorgt ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Megan in Form von Partys und Jungs für ausreichend Ablenkung. Davon möchte die junge Waise jedoch eigentlich nichts wissen - bis sie den geheimnisvollen Ash trifft. Durch ihn gerät sie in eine Welt voller Magie und rivalisierenden Hexenclans, die nicht nur sich selbst, sondern offenbar auch Caroline nach dem Leben trachten …


Meinung
In „Clans of London“ begegnet man (unverhofft) einer ganzen Menge an Charakteren, die scheinbar nur so mit Klischees gefüttert wurden:
Zunächst wäre da unsere Protagonistin Caroline.
Durch ihre harte Kindheit in diversen Pflegefamilien und Heimen, ist sie zu Beginn eine recht starke Persönlichkeit, nie um eine sarkastische Bemerkung verlegen und vollkommen selbstständig. Doch sobald ein mysteriöser Magier ihr Herz erobert, wird sie zum jammernden Schoßhündchen, das scheinbar nichts mehr allein auf die Reihe kriegt und ein paar schöne Stunden mit SO einem Sixpack sind natürlich sehr viel wichtiger, als der eigene, nahende Tod. Ganz abgesehen davon, dass sie natürlich so extrem außergewöhnliche Fähigkeiten besitzt, dass die ganze Welt sie tot sehen will – wer hätte an diesem Punkt denn damit gerechnet?
Aber selbstverständlich darf auch das perfekte Gegenstück zu unserer Protagonistin nicht fehlen: ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Megan. Die sprudelt geradezu vor quirliger Lebensfreude, ist immer perfekt gestylt und auf keiner Party sind die Jungs vor ihr sicher. Dabei ist sie immer loyal, schließt jeden in ihr großes Herz und ist als Nichtmagierin gern bereit zu glauben, dass Caroline eine Hexe ist.
So auch Ash und Henry, Sprösslinge – wie könnte es anders sein – zwei verfeindeter Hexenclans.
Ash, attraktiver, als legal sein sollte, der geheimnisvolle und mysteriöse Frauenheld, der aber natürlich eigentlich gar keiner ist und ein riesengroßes, weiches Hundewelpen Herz besitzt.
Henry, gutherzig, charmant und der sanfte der Gruppe. Etwas eigenbrötlerisch, da niemand seinem Voodoo über den Weg traut, der aber trotzdem immer sofort seine Hilfe anbietet – aber eben unter Anwendung seines Voodoo.
Hatte ich schon die bösen, bösen Clanoberhäupter erwähnt, die sich in finsterer Nacht bei Kerzenschein treffen, um in ihren altertümlichen Kutten fiese Mordkomplotte zu schmieden?
Dass die liebe Caroline dann zumindest Schlösserknacken und mit einer „illegalen App“ Sicherheitssysteme lahmlegen kann, macht den Kuchen auch nicht mehr fett, sondern das ganze eher unfreiwillig komisch.

Dabei scheinen es gerade diese Klischees zu sein, die dem Leser die Figuren lebendig machen sollen, denn ansonsten findet man kaum Charakterbeschreibungen (natürlich abgesehen von Carolines traumhaftem Teint, ihren schokobraunen Locken und Ashs Körper, der einem Unterwäschemodell würdig wäre). Auch die Szenen und Dialoge, in denen neue Personen eingeführt werden, wirken wahnsinnig gestelzt, als wäre das Seitenkontingent für Liebesszenen draufgegangen und man müsse solche Begegnungen nun im Sprint hinter sich bringen: „Hallo Caroline, gib mir mal deine Hand, du stirbst an deinem 18 Geburtstag. Tschüssi!“

Die Geschichte dümpelt dabei auch sonst ohne großen Spannungsbogen so vor sich hin, während man keinerlei Beziehung zu irgendeinem der Charaktere aufbauen kann – es könnte mir wahrlich nicht noch egaler sein, ob irgendeines dieser vier wandelnden Klischees am Ende überlebt.
Man wird aber zum Glück alle paar Kapitel, zwischen der ganzen Knutscherei und den Beziehungsdramas, daran erinnert, dass ja eigentlich Carolines Leben bedroht ist, was unterdessen offenbar nicht nur der Leser, sondern scheinbar auch die Protagonisten immer mal wieder vergessen. „Caroline stirbt in wenigen Tagen“ wird dabei eher zu „Caroline hat eine 2 in Mathe, ihr Schnitt ist ruiniert, oh nein!“. Selbst die eigentlich große Enthüllung am Ende, die viel Potential für einen großen „WOW“ Moment hatte, ist absolut vorhersehbar und wurde von mir nur noch mit einem müden Schulterzucken zur Kenntnis genommen.


Fazit
Eigentlich habe ich nicht das geringste Problem mit Geschichten, die sich sehr viel an Klischees bedienen – so lange sie trotzdem gut ausgetüftelt und geschrieben sind. „Clans of London“ ist dabei ein Mischmasch aus Komponenten bekannter, erfolgreicher Bücher, übertragen in das wenig populäre Szenario der Hexenclans. Aber leider fehlt „Clans of London“ einfach etwas besonderes (und zwar sehr viel davon), um sich aus der Masse an YA (Young Adult) Fantasy hervor zutun.
Ab einem gewissen Punkt wird das Lesen zur Arbeit, wenn es nichts gibt, dass die Handlung und ihre Figuren zumindest etwas spannend und/oder besonders macht. Caroline wird im Laufe der Geschichte zu einer massiven Jungfrau in Nöten, deren chaotische Gefühlswelt als Erwachsener unglaublich ermüdend zu verfolgen ist.
Auch wenn ich eigentlich sehr gerne YA Fantasy lese, bin ich vielleicht schlicht nicht mehr Zielgruppe dieses Romans. Möglicherweise setzt sich diese eher aus (sehr) jungen Lesern zusammen, die total auf Twilight und den süßen glitzernden Vampir namens Edward stehen und denen eine spannende Handlung nicht annähernd so wichtig ist, wie eine kitschige Liebesgeschichte.