Furios, aber sehr speziell!

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Mit „Clockers“ hat Richard Price ein episches Meisterwerk abgeliefert, das in den USA seinen Ruhm begründete, in Deutschland aber  trotz der Verfilmung mit Harvey Keitel und der auf dem Buch basierenden Serie „The Wire“ nie so richtig Beachtung fand. Der Fischer-Verlag will dieser Tatsache nun Abhilfe schaffen, da dieses Buch nun, nach Price erstem vom Fischer-Verlag editierten „Cash“,  in der gewohnt guten Übersetzung von Peter Torberg im Hardcover erscheint und auch beworben wird.

Um dies gleich einmal vorneweg zu nehmen: Leicht verdauliche Lektüre ist dies nicht und wohl auch eher für einen kleinen Kreis von Krimi-Connaisseuren denn für die breite Masse. Viel zu  speziell ist die Dialogkunst und die harte Milieuschilderung, als dass sie den Nerv der allgemeinen Leserschaft treffen würde; dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen!

Richard Price entführt den willigen Leser in eine Welt voller Schmutzigkeit, Korruption und Verrat – nämlich ins Ghetto von New York City. Dort verdingt sich der 19-jährige stotternde Strike als Zwischenhändler und Mittelsmann zwischen Rodney, dem gefürchteten Chef, und denen ihm unterstellten Clockers, die Drogendealer also, die Kleinstmengen des geldbringenden Suchtstoffes verkaufen. Diesen Clockers gegenüber stehen die Polizisten New Yorks, stellvertretend charakterisiert durch das Cop-Gespann Rocco und Mazilli, die desillusioniert ihren Dienst auf Streife versehen und sich nebenbei noch etwas mit einem Schnapsladen für die Clockers dazuverdienen. Beide Seiten haben sich miteinander arrangiert und man lebt in seiner Stumpfheit vor sich hin, bis sich eine Katastrophe ereignet, nach der nichts mehr so ist, wie es einst im Slum war …

Man muss sich auf die Geschichte einlassen und sich erst in den Stil Price, der an andere Krimigrößen wie James Ellroy oder David Peace geschult ist, hineintasten. Auf den ersten Seiten, in denen der Leser in die schmutzige Welt der Clockers eingeführt wird, verstand zumindest ich das allerwenigste und war von den zahlreichen Drogendealern und deren Spitznamen, Aussehen,  etc. überfordert, bis man dann allmählich in den Lesefluss hineinfindet. Price nimmt sich sehr viel Zeit, um von den Protagonisten zu berichten und deren tägliches teilweise schon völlig abgestumpftes Leben zu beschreiben. Jeweils abwechselnd schildert er seine Geschichte, und das auf hochliterarische Weise: Lange Sätze, bestimmte Slangausdrücke, stilistische Figuren und grandios durchkomponierte Dialoge bestimmen das Leseerlebnis der „Clockers“. Dies dürfte so manchen Leser, der auf der Suche nach entspannender, einfacher Lektüre ist, abschrecken, insofern es nicht bereits die knapp 800 Seiten Umfang bereits getan haben.

Ich kann für Richard Price „Clockers“ lediglich konstatieren: Die Geschichte und die Sprachmacht des Drehbuchautors sind grandios, allerdings wohl nicht für die breite Masse, und so muss man schon Geduld aufbringen, um sich auf die packende Schilderung des Lebens in der Dealerszene im Slum New Yorks einzulassen. Wer dies tut, wird mit einer verzweifelnd machenden, aber brillanten Erzählung belohnt!

 

Bücher sind wie Schiffe, die das Meer der Zeit durchsegeln (Francis Bacon)