Lokale Handlung - internationale Dimension

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wolfgangb Avatar

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Bennie Griessel, altgedienter Haudegen der Polizei Kapstadt und rückfallgefährdeter Alkoholiker, wird zu einem Weingut gerufen. Zwei Angestellte einer Personenschutz-Firma wurden brutal erschossen, ihr Klient, ein reicher Brite entführt. Am Tatort finden sich Patronenhülsen mit einer eingravierten Cobra. Unterdessen gerät der Taschendieb Tyrone an einen Datenträger, der hochbrisantes Material enthält. Ein professioneller Auftragsmörder, der sich nach der titelgebenden Schlange benennt, heftet sich auf seine Fersen. Griessel muß der Cobra zuvorkommen, will er den Fall lösen, der inzwischen internationale Dimensionen angenommen hat und in dem auch die Geheimdienste eine immer stärkere Rolle spielen ...

Mit seinem 2002 veröffentlichten Roman "Das Herz des Jägers" erlangte der gebürtige Südafrikaner Deon Meyer erstmals internationale Aufmerksamkeit. In diesem bestreitet auch Bennie Griessel, als durch seinen Alkoholismus gebrochener Mann, sein Debüt als kantiger Ermittler. Nach den Folgeromanen "Dreizehn Stunden" und "Sieben Tage" darf ihn der Leser nun in "Cobra" einmal mehr bei der Arbeit begleiten.
In gut sechzig Kapiteln erzählt der Autor aus der auktorialen Perspektive und wechselt dabei innerhalb der einzelnen Abschnitte immer wieder zwischen den Ermittlern und dem Taschendieb Tyrone. Dabei versteht er es, den Leser lange im Ungewissen zu belassen, worin genau der Zusammenhang zwischen diesen beiden parallel verlaufenden Handlungssträngen besteht. Aus dieser Ungewißheit schöpft die Geschichte auch ihr hohes Maß an Spannung, der perspektivisch bedingte Wissensvorsprung des Lesers gegenüber den Figuren wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet.

Ganz anders als seine Kollegen wie Roger Smith oder Mike Nicol verfaßt Deon Meyer seine Romane nicht auf Englisch, sondern in seiner Muttersprache Afrikaans, das sich aus dem Niederländisch der Kolonialialzeit entwickelt hat. Sprachlich seiner Heimat verpflichtet, öffnet er auch an den Handlungsorten immer wieder die Fenster und läßt den Leser auf die Straße und in das Alltagsleben eines belletristisch wenig bereisten Landes blicken. So findet sich in Griessels Team die ehrgeizige Ermittlerin Mbali, deren Wurzeln in der Volksgruppe der Zulu liegen, auch das schwere Erbe der Apartheid kann und darf nicht verschwiegen werden. Regelmäßig finden sich Ausdrücke in Afrikaans in der direkten Rede der Figuren, Straßen tragen Namen wie Langstraat oder Kloofstraat, der Stadtteil "Little Somalia" läßt auf die dort ansässigen Bevölkerungsgruppe schließen.
Den Eindruck intensiver Lebendigkeit und Wirklichkeitsnähe bezieht der Roman aus der aufmerksamen Ausgestaltung einzelner Situationen und Räumlichkeiten. Die Charakterisierung eines weiblichen Mundes, "den Griessel so schön fand ...", kleinere Rivalitäten der Polizisten untereinander oder die Zutaten eines Eintopfes tragen zwar wenig zur Handlung bei, lassen jedoch den Leser intensiver an ihr teilhaben. Und auch die nebenbei eingeflochtene Metapher "Ohren des Nilpferdes" läßt keine Zweifel am Ort der Handlung.

Ein zentrales stilistisches Element in Deon Meyers sprachlichem Werkzeugkasten ist das Spiel mit dem Tempo, auf das er sich meisterhaft versteht. Geschickt setzt er die parallel verlaufenden Handlungsstränge um das Ermittlungsteam einerseits und Tyrone andererseits ein, wobei ihm die Frequenz des Wechsels als Geschwindigkeitsregler dient. Durch kürzere Passagen, stets mit kleinen Cliffhangern ausgestattet, wird der Leser durch die Zeilen gehetzt, um in längeren, durch ausführlichere Beschreibungen geprägte Sequenzen wieder Atem schöpfen zu dürfen. Dabei wirkt es zuweilen wie ein Anlauf für den nächsten Sprint, wenn Bennie Griessel in Momenten der Introspektion gezielt in ihren Abgründen ausgelotet wird.

In ihren Stärken und Schwächen bleibt diese Figur stets bodenständig, der Leser erlebt einen ehrgeizigen, sich nach seiner Familie sehnenden ehemaligen Alkoholiker. Er zählt seine trockenen Tage, erlebt die Versuchungen der Flasche, wenn der Druck steigt und die kleinen Erfolge, wenn er ihr widersteht.

Indem er den Datenverkehr des weltweit vernetzten Bankensystems thematisiert, legt der Autor bewußt Wert auf Aktualität. Daß die Finanzierung des kontinentübergreifenden Terrorismus mehr als ein Nebenschauplatz der Krisenherde ist, zeigt bereits Michael Robotham mit "Der Insider". Es gibt keine isolierten Biotope mehr, ein moderner Krimi kann nicht mehr auf die Abgeschiedenheit eines englischen Herrenhauses bauen, wie es Agatha Christie praktiziert, will er nicht antiquiert wirken. Was am Südende Afrikas passiert, kann sehr wohl die politische Sicherheit in Europa beeinflussen. Der Autor verweist auf dieses relativ neue Element im kollektiven Wissen und erzeugt so, am Genre des Agententhrillers streifend, Interesse für seinen Roman. Um die Zeit der Handlung auch ganz unmißverständlich mit dem Jahr seiner Erscheinung zu markieren, läßt er seine Figuren über die neuesten Handy-Modelle oder digitale Zeitvertreibe wie das Spiel "Angry Birds" fachsimplen. Wenn allerdings die Gesprächsbasis von Griessels Kollegen sich in technischen Details erschöpft und Tyrone die Vor- und Nachteile der erbeuteten Geräte abwägt, wünscht man sich beim Lesen zuweilen ein etwas dezenteres Namedropping.

Fazit:
Skrupellose Auftragsmörder, internationale Verstrickungen, exotische Schauplätze ... routiniert verarbeitet Deon Meyer diese Element zu einem spannungsgeladenen Krimi mit hochbrisanter Thematik.