Galant bezirzendes Mobile

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constanze_pachner Avatar

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"Hélène ist fast vierzig Jahre alt. Sie hat Karriere gemacht, geheiratet, zwei Töchter bekommen und lebt in einem Architektenhaus in der Nähe von Nancy. Sie hat sich den Traum ihrer Jugend erfüllt: abhauen, das Milieu wechseln, erfolgreich sein. Christophe hingegen hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, in der er und Hélène aufgewachsen sind, nie verlassen. Er verkauft Hundefutter und führt ein unentschlossenes kleines Leben. Bis er Hélène wiedertrifft." (Klappentext)

Ganz eindeutig ist die Rahmenhandlung von 'Connemara', der neue Roman des Prix Goncourt Gewinners (2018) @nicolasmathieu, eine einfache, schon oft da gewesene, die aber mit stimmungsvoll morbider Authentizität die Wände von Leser*innen durchbohrt.
In tragenden Symbiosen vernetzt der Autor Wörter mit einer galanten Linienführung in Sätzen miteinander. Tempoerzeugende Aufzählungen, die sich nicht nur auf Wortkombinationen beschränken, sondern mit ganzen Handlungssträngen kokettieren, bezirzen als ein über dem Buch schwebendes Mobile das Leserauge.

Es ist durch die ausgewogene Gestaltung der Charakter*innen, die, wie der Autor, so wie ich, zur aktuellen Zeit die 40er durchleben, mit allen Sinnen durch einen beiläufig konstruierten Klang, der sich nie verliert, zu erspüren, welche Spannungsverhältnisse in unserer aufgewühlten Epoche zu individuellen Zerreißproben führen können. Zerreißproben, die Persönlichkeiten immer wieder auf einen Show-down zu hecheln lassen, um dann doch entnervt feststellen zu müssen, dass Herkunft unüberwindbar konstituierend ist.

Tatsächlich beinhaltet dieser Roman, wie der Buchrücken ankündigt, eine beeindruckende Geschichte einer modernen Madame Bovary.

Diese Geschichte ist erzählt von einem Autor, der es beherrscht, Sätze mit einer durchdachten Impulsivität wie ein Drummer in die Freiheit zu lassen.