Gesellschaftskritik oder französisches sovoir vivre

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Angepriesen war das Buch, dass die Protagonistin eine moderne "Madame Bovary“ sein sollte. Man geht also mit einer gewissen Erwartungshaltung in die Lektüre des Buchs.
Ich hatte beim Lesen einen depressiven Eindruck und das Gefühl, dass es mir auch bald wie der Protagonistin gehen würde.
Sie hat einen Mann, zwei Kinder, wohnt in einem Haus, hat einen prestigeträchtigen Job und ist trotzdem unglücklich mit und in ihrem Leben. Der Liebhaber ist eine Kindheitsbekanntschaft aus alten Tagen. Wollen beide eine Vergangenheit aufleben lassen, die es so nie gegeben hat, stillt sie ihre Eifersucht einer früheren Kindheitsfreundin gegenüber, sucht sie einen Ausweg aus dem festgefahrenen Leben oder braucht sie das Gefühl der Überlegenheit einem Mann gegenüber, der gesellschaftlich unter ihr steht, nachdem ihr das eigene mühsam aufgebaute Leben aus den Fingern gleitet? Passend dazu wäre das Cover mit dem Spiegelbild allemal.
Der Autor hat einen chirurgisch genauen Schreibstil, der messerscharf und detailliert eher an eine Gesellschaftssatire erinnert. Leider verliert er sich in den viel zu ausschweifenden Gedanken der Protagonisten und ihrer Liebsten in einem heillosen Durcheinander aus mühsam sezierter Vergangenheit. Jedoch finden die unterschiedlichen Erzählstränge am Ende leider zu keinem Abschluss zusammen, sondern bleiben wie die einzeln aufgedröselten Fäden eines Pullovers. Einzig die spannenden Passagen der Eishockeyspiele finden lobenswerte Erwähnung.