Großartig, gehört zu meinen Jahresbesten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
gkw Avatar

Von

Der Titel des Buches bezieht sich nicht auf die irische Landschaft Connemara, sondern auf Michel Sardous Chanson „Les Lacs du Connemara“, ein Kultsong der 90er Jahre in Frankreich. Laut Internet rasten auch heute noch alle aus, wenn er in Frankreich auf einer Party gespielt wird.
Die Haupthandlung des Romanes spielt 2017, kurz vor den Präsidentschaftswahlen. Immer wieder gibt es kurze Hinweise auf aktuelle politische und gesellschaftliche Themen und Probleme.
Die beiden Hauptpersonen sind typische Schicksale unserer Zeit.
Hélène - zerrissen zwischen Karriere und familiären Aufgaben. Den gewünschten Aufstieg hat sie geschafft, dennoch fühlt sie eine Unzufriedenheit. Sie spürt, dass sie sowohl als Frau als auch als Aufsteigerin aus dem Arbeitermilieu immer zweite Klasse bleibt gegenüber Männern, die aus guter Familie stammen. Ihre zeitliche Getriebenheit, ihr Stress, die Wut die daraus resultiert, sind sehr gut dargestellt und spürbar. Ebenso gelungen sind auch die Rückblenden in die Jugend, wenn Hélènes Gedanken und Gefühle beschrieben werden und wir ein Bild davon bekommen, wie sie zu der wurde, die sie heute ist.
Christophe ist nach Karrieremaßstäben ein Versager. Er hat die Kleinstadt nie verlassen, verkauft Tierfutter. Aus dem Plan, ein großer Eishockeystar zu werden, ist nichts geworden. Er trauert dem immer noch hinterher, lebt viel in der Vergangenheit. Er kümmert sich sehr liebevoll um seinen dementen Vater und seinen Sohn, zu den Highlights seines Lebens zählen die Trinkgelage mit seinen langjährigen Freunden.
Gemeinsam ist beiden, dass Träume geplatzt sind, sich Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt haben und sie eine Unzufriedenheit und Enttäuschung in sich spüren.
Mathieu erzählt mit sehr schöner Sprache, klar und präzise, ist dicht an den Figuren und sprachlich gelingt es ihm, so verschiedene Dinge wie die Sehnsüchte eines Teenagers, die Gehetztheit einer modernen Karrierefrau, die inneren Spannungen von Menschen in der Lebensmitte sehr authentisch zu vermitteln.

Viele Themen sind hier versammelt. Als Nebenschauplatz haben wir die moderne Arbeitswelt in ihrer ganzen Absurdität, die sich insbesondere in ihrer Sprache zeigt.
In der Hauptsache ist es aber eine Geschichte über den gesellschaftlichen Aufstieg und unsere inneren Grenzen, die uns bestimmte Hürden nicht überschreiten lassen, eine Geschichte über die Sehnsucht nach einem Neuanfang. Es ist ein Roman über die Midlifecrisis und durch die Rückblicke zugleich ein Coming-of-Age Roman.
Es geht und Träume und Verletzungen, um Wünsche und Scheitern, um das ganz normale Leben normaler Menschen mit all ihren Ängsten und die Frage, ob ein Ausbrechen möglich ist.
Ein großartiger Roman, der mich sehr gefesselt hat und bei meinen "Jahresbesten" einziehen darf.