Mein Lieblingsbuch des Jahres

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darkola77 Avatar

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Intelligent, intensiv und mit beißendem Humor – „Connemara“ hat mich immer wieder staunen lassen und mir viele Momente des Wiedererkennens und des kräftigen, zustimmenden Nickens beschert. „So, genau so ist es!“ Und dank der treffenden Beobachtungen und scharfen, pointierten Dialoge mit viel Witz und klugem Humor waren Überraschung und Verwunderungen ob der Ähnlichkeiten und Parallelen in der realen Welt für mich häufig ebenso mit einem kräftigen Lachen verbunden – und einer schier königlichen Unterhaltung.
Ein Roman, der nur für mich als Leserin geschrieben zu sein scheint, dieses Gefühl vermochte mir Nicolas Mathieu mit „Connemara“ tatsächlich zu vermitteln. Und das in vielerlei Hinsicht und auf so vielen Ebenen. Hélène, nicht gerade die klassische Heldin, ist doch eine Figur, in die ich mich sofort verliebt habe, dank und trotz ihrer Widersprüchlichkeiten und ihrer zunehmenden Abkehr von einem gesellschaftlich als perfekt geltendem Leben, einer Bilderbuchfamilie. Ja, ich glaubte, ich wünschte mich wiederzuerkennen – ebenso in ihrem beruflichen Werdegang und ihren Einsichten in eine Branche des schönen Scheins und des Verkaufs von Konzepten, Wünschen, Ideen. Und manchmal auch der eigenen Ideale und Träume.
Doch Mathieu nutzt den Markt des Business Consultings nicht nur, um den beteiligten Akteuren einen Spiegel vorzuhalten, dieser ist auch Ausgangspunkt für eine noch viel tiefergehende Spaltung, gesellschaftlich, sozial, wirtschaftlich. Das Klassensystem mag heutzutage in seiner ursprünglichen Form in der westlichen Gesellschaft überholt und von neuen Modellen und Klassifizierungen abgelöst worden zu sein, doch Fakt bleibt: Die feinen und weniger feinen Unterschiede bestehen fort, ebenso wie Formen der Abgrenzung den eigenen sozialen Status festigen, und die Klassen, Schichten, Milieus – wählt ein Gesellschaftsmodell! – und damit die Menschen voneinander trennen.
Und so treffen mit Hélène und Christophe nicht nur unterschiedliche Bildungsniveaus, Lebensstile und -konzepte aufeinander, sondern auch zwei Menschen, die nach dem sozialen Aufstieg der ehemals jungen Hélène heute noch weniger eint als zu Zeiten ihrer Jugend. Und doch sind da Anziehung, Verstehen und Verständnis füreinander – unter all den Unterschieden und diese nivellierend oder eher kaschierend. Zumindest für eine gewisse Zeit.
„Connemara“ ist so viel und so viel „so sehr“ – sehr klug, sehr intensiv und mich sehr berührend und mich erkennend. Und ich mich in der Geschichte. Doch vor allem ist Nicolas Mathieu mit „Connemara“ ein literarisches Werk von großer Präzision und Tiefe gelungen, ein Roman, der bestehen und fortdauern wird – nicht nur in den Köpfen seiner Leser*innen – und der zum Immer-wieder-Lesen einlädt. Ein Meisterwerk.