Midlife-Crisis a la française

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brianna Avatar

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Das Cover von Nicolas Mathieus "Connemara" ist ansprechend. Die Frau im Spiegel wirkt geheimnisvoll und auch zurückhaltend, ihr Mund liegt im Verborgenen. Ist sie sprachlos- wie Hélène?

Eben diese Hélène, eine der beiden Hauptfiguren, arbeitet in einer großen Consulting-Firma. In ihrer Lebensmitte, mit Mann und 2 Kindern reibt sie sich zwischen erschöpfenden Job, Hausarbeit und Fürsorge auf. Nach einem Burnout mit anschließendem Umzug in die Provinz meint sie, deshalb in der Schuld ihres Mannes zu stehen- auch, wenn die Care-Arbeit fast ausschließlich auf ihren Schultern ruht. Seine Termine wirken stehts wichtiger, er ist selten zu Hause.

Während sie noch daran glaubt, sich nun hinreichend in der neuen Firma hochgekämpft zu haben, wird sie bei der Partnerschaftsvergabe doch wieder übergangen. 
In der erquicklichen Zusammenarbeit mit ihrer Praktikantin Lison, die Hélène zunehmend still bewundert, wird ihr bewußt, wie falsch ihre Karriereentscheidungen waren. 
Zudem gehörte sie nie den "oberen Zehntausend" an wie Ehemann Philippe, sie hat sich ihre Bildung und ihren Aufstieg hart erkämpft. Was auch zu einer tiefen Kluft zwischen ihr und ihren Eltern führte, die der Mittelschicht angehören.

Christophe hingegen wollte nie aus der vertrauten dörflichen Heimat, die auch Hélènes ist, entfliehen.
Durch seine Jugenderfolge beim Eishockeyclub ist er allseits bekannt, was ihm auch jetzt noch bei seiner Arbeit hilft- Vertrauen ist die Basis für seine Geschäfte als Hundefutterverkäufer. Er kennt die Züchter, ihre Geschichten.
Dennoch steht auch er an einem Scheideweg: seine Ehe ist gescheitert, sein Sohn wird in der Schule gemobbt und wird bald wegziehen. Sein Vater scheint zunehmend verwirrt und Christophe muß sich mit all dem allein auseinandersetzen.
Obwohl- ihm sind immerhin seine 2 guten Freunde aus den Jugendtagen geblieben.

Hélène: erschöpft, ausweglos, leicht depressiv und auf der Suche nach Ablenkung und Christophe: verwundet, unentschlossen, überfordert- begegnen sich wieder und beginnen eine Affäre. 

In sprunghaften Episoden erfahren wir zudem vom Heranwachsen der beiden, von der engen Bindung Hélènes zu Charlotte, die den "Star" Christophe vergötterte. Dieser war jedoch vernarrt in die ältere, rebellische Charlie, seine spätere Ehefrau.

Und während die Affäre zwischen der Frau, die ging und dem Mann, der blieb, nur ein Beispiel für die Gegensätze sind, treten weitere zutage.
Land- Stadt, Männer- Frauen, Akademiker- geringeres Bildungsniveau, Politiker- Volk
eigene Interessen gegen das Gemeinschaftswohl.

Daher auch der Titel, denn der bekannte Chanson "Connemara" von Michel Sardou, wird je nach Gesellschaftsklasse unterschiedlich vorgetragen und ist hier ein wiederkehrendes Element.

Mir war der Roman zu politiklastig.
Sprachlich- ein wunderbares Lesevergnügen- haperte es dann doch mit der Umsetzung der Geschichte.
Die Verlorenen blieben verloren. Sie haben hart für den Aufstieg gekämpft- und ihn verpaßt.