Nur für Genre-Fans

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Ich habe so sehr gehofft, dass dieses Buch anders ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Buch in Alaska spielt - ich habe mich sofort nach Lesen der Beschreibung in das Setting verliebt und gar nicht hinterfragt, ob die Welt - MEINE Welt - wirklich noch ein Vampirbuch braucht. Auch die Gestaltung ist äußerst gut gelungen - der rote Farbschnitt, die Illustration der Katmere Academy auf der Innenseite des Umschlags... es sind nur kleine Extras, aber mir gefällt so etwas sehr. Die Umschlagillustration finde ich in Ordnung, obwohl diese Unschuldsmetapher (weiße Blume, Grace' Name) schon ein bisschen nervt. Andere haben darauf hingewiesen, dass das Cover stark an die Biss-Reihe erinnert, hier soll also möglicherweise an alten Erfolg angeknüpft werden. Ich habe Biss nicht gelesen, weil der Schreibstil nicht zu ertragen war, aber einige Parallelen fallen schon auf. Der Vorwurf des Plagiats erübrigt sich in meinen Augen aber schon dadurch, dass Bücher dieser Art ohnehin immer gleich sind und Leserinnen genau die altbewährte Formel in immer neuer Form verschlingen, ohne ihrer müde zu werden. Finde ich legitim. Und ich hatte auch mal wieder Lust auf so ein Buch. Nach anfänglicher großer Begeisterung kam aber leider schnell die Ernüchterung.

Das beginnt schon damit, dass der Farbschnitt abfärbt. Ich have Crave mit einem anderen Buch zusammen in einer Tasche transportiert und das andere Buch war danach auch rot, genau wie meine Finger nach der Lektüre. Aufgrund des Umfangs des Buches habe ich mir außerdem eine richtige "Slow burn"-Romanze erhofft. Die Liebesgeschichte zwischen Grace und Jaxon entwickelt sich aber schnell, auch wenn man das nicht direkt merkt, da die Handlung quälend langsam vorankriecht, sodass es auch so scheint, als würde ihre Beziehung sich Zeit lassen. Tatsächlich schwärmt Grace von Anfang an in ihrem Kopf nur davon, wie heiß Jaxon ist, wo man als Leserin noch keine Möglichkeit hatte, sich ein Bild von ihm zu machen und mitzufühlen. Grace' Gedankengänge wiederholen sich besonders am Anfang immer wieder und es ist schwer, so lange durchzuhalten, dass endlich mal etwas passiert. Nun: Es wird tatsächlich später etwas besser, aber das kann das Buch auch nicht retten.

Grace selbst ist eine schwierige Figur. Hier wurde versucht eine "starke" Protagonistin zu schreiben und das erschöpft sich offenbar schon in massenweise schlechtem Sarkasmus und coolen Sprüchen, nach denen man das Buch nur an die Wand schmeißen möchte. Es hilft nicht, dass schon die Kapitel jeweils mit einer derart formulierten Überschrift eingeleitet werden. Komplett fiktives Beispiel (KEIN Spoiler!): Grace' Cousine Macy wird von einem Eisbären angegriffen und fast gefressen. Kapitelüberschrift wäre dann sowas wie "Wer früher stirbt, ist länger tot hihi ;D"

Jaxon erfüllt so ziemlich jedes Klischee, das man von einem Romantasy-Vampir-Love-Interest hat. Und es wird übrigens nicht weniger cringe, nur weil die Protagonistin zur Kenntnis nimmt, wie klischeehaft ihr Verhalten ist. Sie fassen sich schon beim ersten Treffen an, was natürlich von Jaxon ausgeht, und er hört auch im Verlauf des Buches nicht auf, sich einfach komplett unangemessen zu verhalten. Grace meckert ihn zwar oft genug an, weil er sie bevormundet, lässt sich aber seine herabsetzenden Berührungen gefallen. Wenn ein Mann einem so dreist im Gesicht herumtatscht, führt das bei normalen Menschen nicht zu romantischen Gefühlen sondern zu einer gebrochenen Nase. Grace droht dagegen zwar immer mit übertriebener Gewalt, dabei kann man aber höchstens müde lächeln - Jaxon geht es vermutlich genauso, deswegen verschwindet er auch regelmäßig, um sich von ihr zu erholen.

Auch die Welt des Buches funktioniert in meinen Augen nicht. Es ist klar, dass nach 15 Jahren Vampirromanzen alles schon so weit ausgelutscht ist, dass man sich neue Dinge ausdenken muss, aber das, was die Autorin für die Katmere Academy zusammengeklatscht hat, harmoniert für mich einfach nicht. Da kann ich es auch nicht wertschätzen, dass immer wieder betont wird, wie interessant die indigenen Kulturen in Alaska und deren Sprachen sind. Auch dass ein afroamerikanischer Protagonist eingeführt wird, kommt nicht so wirklich gut an, weil ausgerechnet ihm dann ein ansonsten sprachlich völlig rausfallender "Ghettofaustschlag" (S. 54) zugeschrieben wird. Weil er schwarz ist oder was? Ich finde diesen Faux pas amüsant und wundere mich, dass die Autorin dafür in den USA nicht in der Luft zerrissen wurde. Und wo ich schon beim Meckern bin: Akkadisch ist NICHT aus Sumerisch entstanden (S. 122).

Ich empfehle daher Crave nur für absolute Genre-Fans, die immer wieder die gleiche Geschichte lesen wollen und alles Schlechte verzeihen. Das ist legitim, ich habe auch einige guilty pleasures. Aber dafür gibt es von mir eben nur zwei Sterne.