Diffuser Bibelthriller

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zauberberggast Avatar

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 „Curia“ ist ein Religionsthriller, der mit folgender Verschwörungstheorie operiert: der Exodus, also der Auszug der Israeliten aus Ägypten unter der Leitung des Propheten Mose hat nie stattgefunden. Überhaupt werden seine Existenz und seine Bedeutung als Prophet Gottes angezweifelt. Was wäre, wenn Moses nie existiert hätte? Es würde die Bibel infrage stellen und somit die 3 Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam in ihren Grundfesten aushöhlen. 

Théo St. Pierre ist als Kurator der Ägyptischen Abteilung des Louvre sowie als Atheist und Religionskritiker prädestiniert dafür dem Geheimnis, dem sein Bruder, der römische Kardinal Vanko zum Opfer fiel, auf den Grund zu gehen. Er ist natürlich überdies ein geheimnisvoller Mensch, der seit dem Tod seiner sechzehnjährigen Jugendliebe Georgia die Gesellschaft seiner Geige der seiner Mitmenschen vorzieht. Außerdem sieht er genauso aus wie Jeremy Irons. Die Frau, die das „Ermittlerduo“, das zu einem anständigen (Histo-)Thriller gehört, komplettiert, ist die schöne Psychoanalytikerin Raisa Belmont. Sie versucht den Exodus als einen der Jung’schen Archetypen zu kategorisieren. 

Das Buch zeichnet ein häufiger Perspektiven- und Zeitenwechsel aus: mal befinden wir uns im Paris, im Rom (und im Vatikan), im Saudi-Arabien, im Amsterdam, im London, im Siena, auf dem Berg Athos, im Florenz, im Israel, in den USA etc. der Gegenwart; dann sind wir wieder im Alten Ägypten oder im Italien der Renaissance etc. Der Roman arbeitet mit Montagetechniken, so dass man immer mal wieder auch „andere“ Texte als den, der die eigentliche Handlung beinhaltet, vor sich hat: einen wissenschaftlichen Vortrag, einen Zeitungsbericht, einen Tagebucheintrag, einen Brief und vor allem auch: eine Erinnerung  Théos (oder anderer Personen) an die Vergangenheit, die in der Regel kursiv gesetzt ist. Das alles wird mit der Erzählhandlung verwoben und fordert dem Leser eine hohe Flexibilität und auch vor allem Konzentration ab. Das Buch strotzt nur so vor geschichtlich-kulturellen Informationen, die von unterschiedlichen Personen referiert jeweils aus einem anderen Kontext stammen. Dadurch verliert man als Leser leicht den Faden und auch den Überblick über das Geschehen. 

Fazit: diffus, im Ganzen wenig flüssig und schwer aufzunehmen. Man bekommt den Eindruck, dass hier viel zu viel „gewollt“ und hineingequetscht wurde, was dann ausgeführt wie ein überbordendes Konglomerat an Fakten wirkt. Die Spannung und Unterhaltung des Lesers bleibt so gelegentlich auf der Strecke. Dennoch ist die Thematik interessant und die Recherche hervorragend. Man kann sich nach der Lektüre zwar nicht das Ägyptologie bzw. Theologie-Studium sparen, aber es ist nahe dran. Vielleicht liegt dem Buch letztlich der positive Gedanke religiöser Toleranz zugrunde, der leider allzu oft Gedanke bleibt, weil jede Weltreligion immer noch zu beweisen versucht, dass sie die einzig Wahre ist. Dass sie gleichberechtigt sind hat schon Lessings „Nathan der Weise“ zu erklären vermocht, Oscar Caplan gelingt dies mit „Curia“ nur ansatzweise. Hoher Anspruch, großer Informationsgehalt, schwache Ausführung.