Viele Geschichten verderben den Lesespaß

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Ich bin mir überhaupt nicht sicher, was uns der Autor mit diesem Buch beweisen will: Dass er wahnsinnig klug ist? Dass er sich wirklich Mühe mit dem Buch gegeben hat? Dass er etwas anderes als den üblichen Vatikan-Verschwörungs-Thriller schreiben wollte? Nun, dies alles ist ihm aus meiner Sicht gelungen. Leider blieb bei diesen vielen Ambitionen das Grundlegendste auf der Strecke: Der Spaß des Lesers bei der Lektüre des Buchs. Im Gegensatz zu vielen der anderen Rezensenten habe ich mich bis zum Ende durch dieses Buch gekämpft. Einerseits, weil ich auf Besserung hoffte und andererseits, weil ich mir einbilde, dass man nicht bewerten kann, ohne das Ganze zu kennen. Jetzt muss ich einsehen, dass die anderen Vorableser den klügeren Weg gegangen sind.

 Zum Inhalt: Ein Kardinal deckt ein großes Geheimnis auf, welches die Grundfesten der drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam erschüttern würde und stirbt kurz nach seiner Entdeckung an einem Autounfall. Sein Bruder, ein Geschichtswissenschaftler und Archäologe, will mit Hilfe von vielen Freunden und Bekannten diesen Todesfall aufklären und tritt dabei den Lenkern von Kirche, Wirtschaft und Politik auf die Füße.

Zum Cover: Blut auf einem Kreuz – für den Anfang des Buches ein durchaus passendes Bild. Leider werden im Fortlauf der Geschichte immer mehr Nebenschauplätze mit anderen Akteuren und Beweggründen hinzugefügt, die den spannenden Beginn des Buches vergessen lassen.

Mein Eindruck: Selten habe ich ein in jeder Hinsicht so unglaubwürdiges Buch gelesen: Nicht nur ist der Hauptakteur Theo intelligent, musisch hochbegabt, ein Kenner der feinsten Gaumenfreuden und besitzt ein Netzwerk von Freunden, die ebenso klug wie er selbst in den verschiedensten Wissenschaften bewandert sind. Nein, das gilt ebenso für die mannigfaltigen Feinde, die er sich im Laufe des Buches schafft. Egal ob griechischer Milliardär, Kommissar in Rom, Pater des Opus Dei, Gehilfe bei Ausgrabungen oder einfach nur schlauer Dieb – jeder kann sich mit jedem auf einer hochwissenschaftlichen und genussvollen Ebene austauschen. Die Frauen sind alle wunderschön, die Männer geschmackvoll gekleidet und wer stottert oder humpelt, lebt nicht lange. Dieser Selektierungsprozess führt jedoch nicht zu einem besseren Verständnis des Buches – für jede Figur, die ins Gras beißt, erfindet der Autor fünf Neue, um dem Leser nur keine Chance zu geben, den Überblick zu behalten. Und da für diese Figuren eine einfache Verschwörung innerhalb der katholischen Kirche nicht ausreicht, müssen die führenden Wirtschaftsmagnaten, die Politik und zur Not auch noch Nationalsozialismus und die alten Ägypter für die Rahmenhandlung Pate stehen. Dann noch eine Prise Zeitmaschine bei Wells beigemischt und fertig ist die Soße – ein Geschmacksinferno erster Güte. Was mich zusätzlich verärgert hat, sind die Beweggründe Theos: Wird dem Leser anfangs vermittelt, dass er die Aufklärung aus Bruderliebe sucht, ändert sich diese Intention schnell. Ganz im Gegenteil – auch der Tod eines doch befreundeten Bekannten entlockt ihm nicht einmal mehr ein „Ups“.

Fazit: Viel zu viel verlorene Zeit in ein Buch versenkt, welches mit der Hälfte der Seiten besser bedient gewesen wäre. Den einzigen Stern gibt es für die Idee, den Papagei, der die Essenz von Diskussionen in einem Satz zusammenfassen kann, „Poirot“ zu nennen. Das hätte Caplan beherzigen und sich einiges bei Agatha Christie abgucken sollen: Auch wenn ihre Geschichten zwischen den Weltkriegen spielen, sind mir deren Akteure näher als diese ganzen Intelligenzbestien, die er erfunden hat.