Ein Buch, das unter die Haut geht

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azyria_sun Avatar

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Worum geht’s?
Majas Vater, ihr Held und Lebensmittelpunkt, tötet ihre Mutter. Von einem Moment auf den anderen wird alles anders. Maja zieht zu ihren Großeltern, den Eltern ihrer Mutter Emma. Nur bei Liv, Emmas bester Freundin, findet sie ein Stück Halt zwischen all den Veränderungen, die ihr Leben plötzlich bestimmen.

Meine Meinung:
Von Jasmin Schreiber habe ich schon so viel gehört – und mit „Da, wo ich dich sehen kann“ endlich mein erstes Buch von ihr gelesen. Und was soll ich sagen: Es war intensiv, es war krass, es ging direkt unter die Haut und mitten ins Herz.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt – Maja, Liv, Brigitte und manchmal auch Emma kommen zu Wort. Richtig nahegekommen bin ich beim Lesen keinem der Charaktere, aber vielleicht ist das bei diesem Thema auch besser so. Zu sehr geht alles an die Substanz.

Die Autorin zeigt außergewöhnlich eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Figuren mit ihrer Trauer umgehen – mit Ihrer Trauer um die Mutter, die Tochter, die beste Freundin. Besonders, was all das mit der kleinen Maja macht, ist herzzerreißend. Dazwischen finden sich Auszüge aus Zeitungsartikeln, Gerichtsprotokollen und Polizeiberichten. All das lässt diese Geschichte, die laut Frau Schreiber fiktiv ist, erschreckend real wirken – und dadurch noch grausamer. Denn Femizid ist kein fernes Thema, sondern eines, das leider überall passieren kann. Vielleicht sogar in deinem Nachbarhaus!

Sehr intensiv fand ich auch die auf schwarzen Seiten gedruckten Was-wäre-wenn-Kapitel, in denen sich die Figuren fragen, was sie hätten anders machen können. Ein großes Thema ist auch die Verarbeitung durch Therapie – wie hilfreich sie sein kann, aber auch, wie sehr sie noch immer mit Tabus behaftet ist. Und die Autorin zeigt, dass manchmal schon ein ehrliches, offenes Gespräch mehr bewirken kann als alles andere. Zwischen den Kapiteln musste ich immer wieder pausieren, durchatmen, alles in mir nachhallen lassen. Dieses Buch ging mir wirklich an die Substanz. Es war so nah, so lebendig, so brutal ehrlich – voller Schmerz, Trauer und Verzweiflung. Ein Buch, das lange nachhallt. Ein Buch, das aufrüttelt. Ein Buch, das bleibt.

Fazit:
„Da, wo ich dich sehen kann“ von Jasmin Schreiber ist kein Buch, das man einfach wegliest. Es fordert, es schmerzt, es zwingt zum Innehalten – und genau das macht es so stark. Mit sprachlicher Präzision und emotionaler Wucht erzählt die Autorin von Verlust, Schuldgefühlen und den unterschiedlichen Gesichtern der Trauer. Ein Buch, das aufwühlt, aufrüttelt und lange nachhallt.

5 Sterne – eine klare Leseempfehlung.