Ein wichtiges Buch zu einem harten Thema

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melb2508 Avatar

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Jasmin Schreibers neues Buch „Da, wo ich dich nicht sehen kann“ handelt von einem Femizid und wie die Menschen, die zurückbleiben, damit leben müssen.
Emma wurde von ihrem Mann Frank getötet. Die 9jährige Tochter Maja lebt nun bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Aus verschiedenen Perspektiven – Maja, ihre Großeltern mütterlicherseits, die Großmutter väterlicherseits, ihre Patentante Liv (beste Freundin der ermordeten Emma) und auch aus Emmas Sicht – wird die Geschichte erzählt.
Im Mittelpunkt steht einerseits das traumatisierte Mädchen Maja, bei der mich vor allem die Bilder, die im Buch abgedruckt sind, tief ins Herz getroffen haben.
Liv, die beste Freundin der ermordeten Emma, ist ebenfalls eine der Hauptfiguren. Durch ihre Figur, die mich teilweise stark an die Autorin selbst erinnert hat, da es viele Parallen zu deren Einstellung und Leben gibt, wird vor allem die Wut transportiert, die zu Recht empfunden wird in Bezug auf Femizide im Allgemeinen. Sie arbeitet als Physiklehrerin und hat einen starken Bezug zur Astrophysik, ein spannender Nebenstrang der Geschichte, der auch optisch schön umgesetzt wurde durch Sternbilder, die den jeweiligen Personen zugeordnet und jeweils bei „ihren“ Kapiteln abgedruckt sind.
Auch Emmas Kapitel, die natürlich aus der Vergangenheit erzählt werden, haben mich stark emotional berührt und zeigen auf, wie es geschehen kann, dass eine Frau sich in einer toxischen und gefährlichen Beziehung wiederfindet und keinen Ausweg mehr sieht.
Die Großeltern stehen vor allem für die Hilflosigkeit und Verzweiflung. Warum haben sie nichts bemerkt? Warum konnten sie ihrer Tochter nicht helfen? Oder – im Fall von Franks Mutter – wie konnte es geschehen, dass der eigene Sohn eine solche furchtbare Tat ausübt?
Für mich logisch und richtig ist, dass einzig Frank, der Täter, keine „Stimme“ bekommt im Roman. Anders als es oft in der Realität ist, wird eben das Opfer und seine Angehörigen in den Mittelpunkt gestellt und nicht der Täter und seine (seien wir mal hart und ehrlich) im Grunde irrelevanten „Motive“. Er hat seiner Frau das Leben genommen, weil er es konnte und alle anderen müssen nun damit (weiter)leben.

Die Gestaltung des Romans ist sehr ansprechend – die Autorin hat den Umschlag selbst gestaltet. Mich hat der orangefarbene Farbschnitt an die Orange Days erinnert, die seit 1991 als Kampagne der UN als Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. Wenn das die Intention war, ist das noch ein weiterer Pluspunkt für den Roman!
Das Thema Femizid ist ein absolut wichtiges, aber natürlich auch hartes Thema. Die Autorin hat es sehr gelungen umgesetzt. Bis auf einige Kleinigkeiten (das Kapitel aus Sicht des Hundes hätte ich persönlich nicht gebraucht und die Bücher, die sie als Beispiele für übertriebene Gewalt gegen Frauen in der Literatur beschreibt, sind meiner Meinung nach keine guten Beispiele für ihren Punkt) bin ich mit dem Buch und der Themenumsetzung wirklich sehr zufrieden. Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen, was sehr gut war. So konnte ich jeweils Pausen machen und über das Gelesene diskutieren – das hat geholfen, den heftigen Stoff besser zu verarbeiten.
Es ist kein leichter Stoff, aber ein wichtiger! Lest das Buch!