Emotional aufwühlend und fesselnd

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dierotefuchsin Avatar

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„Da, wo ich dich sehen kann“ von Jasmin Schreiber ist ein unglaublich intensives und aufrüttelndes Buch.
Es ist sicherlich kein Buch für jede:n Leser:in und auch ganz sicher keines, das man mal schnell liest, weg legt und vergisst.
Es ist ein Buch das nachhallt, das verdaut werden möchte und dass auf so vielen Ebenen trifft, dass es weh tut.
Es geht um Femizide, um die Bedeutung von Freundschaft und Familie und um den Nachhall, das Loch, das ein Verlust in uns hinterlässt.
Jetzt gerade, beim Schreiben des Satzes davor kamen mir schon wieder die Tränen, obwohl ich absichtlich etwas Zeit nach dem Beenden verstreichen lassen habe. Vielleicht kann man anhand dessen erahnen was dieses Werk mit mir gemacht hat.

Die Geschichte die Jasmin Schreiber hier erzählt könnte so überall passieren, ach was, sie passiert so immer wieder. Überall.
Dabei nutzt Schreiber gekonnt verschiedene Stilmittel um uns mal näher an die Emotionen zu führen (die Kapitel aus Sicht von Maja) nur um uns dann ganz nüchtern und rational Fakten zu präsentieren. Dies macht sie in dem sie gekonnt zwischen den verschiedenen Erzählperspektiven der Hinterbliebenen und auch des Opfers wechselt. Angereichert wird das ganze dann zusätzlich noch durch Polizeiberichte, Zeitungsartikel, Gerichtsbriefe, Kinderzeichnungen...
Dadurch entsteht ein Kaleidoskop aus Gedanken, Emotionen, Erinnerungen, Verzweiflung und nüchternen Tatsachen. Ein Kaleidoskop, dass uns ganz nah ran holt und weit weg hält. Dass uns versucht etwas begreiflich zu machen, was nicht zu begreifen ist. Das uns wachrütteln will und uns dennoch irgendwie auch hier und da in all dem Schrecken etwas Hoffnung schenkt.

Denn: „Menschen hinterlassen mehr als Erinnerungen, sie hinterlassen Schwarze Löcher, die dich gnadenlos anziehen und in den Abgrund reißen, wenn du ihnen zu nahe kommst. Wenn jemand geht, fehlt nicht nur die Person, sondern auch ein Stück von jedem, der bleibt“ (Zitat: Schutzumschlag) und gerade deswegen bleiben auch schöne Erinnerungen, an die man gerne denkt.

Die Protagonisten sind authentisch und nahbar gezeichnet. Jedoch kam ich nie ganz emotional an sie ran. Einzige Ausnahme dabei bildet Maja. Aus meiner Sicht Absicht der Autorin und Stilmittel.
Einzig den schnell (mehr oder minder) behobenen Konflikt mit Liv‘s Mutter fand ich etwas zu einfach gelöst und nicht so ganz authentisch.
Selten hat mich ein Roman über Verlust so weiterlesen lassen, vermeide ich das Thema doch lieber.

Danke Jasmin Schreiber für jede einzelne Träne die ich wegen diesem Buch vergossen habe.