Emotionaler Roman, der traurig und zugleich wütend macht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
naraya Avatar

Von

Die 9-jährige Maja wächst in schwierigen Verhältnissen auf. Da ist auf der einen Seite ein Vater, der seine Frau tyrannisiert, seine Tochter aber liebevoll behandelt. Auf der anderen Seite steht eine Mutter, die sich ihr Leben ganz anders vorgestellt hat und sich zunehmend von ihrer Tochter zurückgewiesen fühlt, die scheinbar den Vater viel mehr liebt. Als alles schließlich eskaliert und der Vater die Mutter tötet, bleiben verzweifelte Menschen zurück: zuerst natürlich Maja, die Großeltern mütterlicherseits Brigitte und Per sowie Liv, die beste Freundin der Mutter, die auch Majas Patentante ist.

„Da, wo ich dich sehen kann“ ist der neuste Roman aus der Feder von Jasmin Schreiber und wird aus der Perspektive der unterschiedlichsten Figuren erzählt. So wird noch einmal greifbarer, wie viele Menschen der Tod von Majas Mutter Emma beeinflusst und weit die Kreise sind, die Trauer und Verzweiflung ziehen. Hin und wieder sind auch besondere Kapitel eingeschoben, die auf schwarzem Hintergrund gedruckt sind. Hier erlaubt sich die Autorin den Blick, was passiert wäre, wenn so manches Gespräch zwischen Emma und ihren Liebsten anders abgelaufen wäre.

Im Zentrum der Handlung steht sicherlich das Thema der Femizide. Männer hassen Frauen, darüber sind sich die erwachsenen Frauen im Roman einig, besonders seit dem Tod von Emma. Nur Maja fällt es schwer, die Dinge so klar einzuordnen. Ja, ihr Vater ist ein Mörder, aber irgendwie liebt sie ihn eben auch. Was diese widersprüchlichen Gefühle in einer Kinderseele anrichten, das stellt Jasmin Schreiber wirklich eindrücklich dar. Überhaupt geht es nicht darum, Sachinformationen über das Thema im Text einzubauen, sondern die realen Auswirkungen darzustellen. Im Buch wird das, sinngemäß, so formuliert: der Täter erhält eine lebenslange Haftstrafe, was für ihn etwa 15 Jahre bedeutet. Für alle, die Emma geliebt haben, bedeutet „lebenslang“ aber genau das.

„Da, wo ich dich sehen kann“ ist ein emotionaler Roman, der traurig und zugleich wütend macht. Es ist aber auch ein Roman, der deutlich macht, dass ein „Verlass’ ihn doch einfach“ nicht so simpel ist, wie wir glauben.