Leerstellen
»Wenn jemand geht, fehlt nicht nur die Person, sondern auch ein Stück von jedem, der bleibt.«
»Beziehungsdrama« schreibt die Presse, »Verbrechen aus Leidenschaft«, »Eifersuchtstat« oder »Familientragödie« – es gibt viele Euphemismen für Femizide. Begriffe, die verschleiern, dass es sich um gezielte Gewalt gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts handelt, die Verantwortung ins Emotionale (»Liebe«, »Eifersucht«, »Streit«) verschieben und damit ein strukturelles Problem entpolitisieren. In Verbindung mit den alarmierenden Statistiken – über 360 Frauen wurden allein 2023 in Deutschland von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet – nimmt sich Jasmin Schreiber in ihrem Roman »Da, wo ich dich sehen kann« diesem Thema an und schafft einen stillen, aber kraftvollen Appell gegen das Wegsehen.
Die neunjährige Maja weiß, dass sich ihre Eltern oft streiten. Papa ist zwar immer lieb zu ihr, aber er ist auch gewalttätig, Mama hat deswegen Angst vor ihm. Als Maja ihren leblosen Körper findet, verliert sie nicht nur ihre Mutter, sondern alles, was ihr einst Halt gegeben hat: ihre Familie, ihr Zuhause und jedes Gefühl von Sicherheit. Überwältigt von Trauer und Schuldgefühlen versuchen das Mädchen und die hinterbliebenen Großeltern, zusammen mit Patentante Liv, einen Alltag zu stemmen, den Behörden im Kampf um das Sorgerecht zu trotzen – und sich selbst nicht zu verlieren. Doch wie soll das eigene Leben weitergehen, wenn das einer Mutter, Tochter und Freundin viel zu früh – und so grausam – beendet worden ist?
Allgemeine Antworten kann es nicht geben. Aber Schreiber gelingt es, das Unsagbare zu benennen, ohne es auszustellen. Sie gibt jenen eine Stimme, die oft übersehen werden: den Hinterbliebenen, die nach einem Femizid mit der Leerstelle weiterleben müssen. Doch der Roman zeigt vielmehr, dass es nicht nur um eine einzelne Tat geht, sondern um die strukturelle Realität geschlechtsspezifischer Gewalt, die noch immer alltäglich ist. Und gerade weil Schreiber die Tat nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern das Danach, entwickelt »Da, wo ich dich sehen kann« eine enorme emotionale Tiefe. Es beschreibt, wie Trauer, Wut und Sprachlosigkeit sich in den Alltag einschreiben – in Gespräche, Gesten, Erinnerungen. Damit verdeutlicht der Roman, dass Femizide nicht mit dem Tod einer weiblich gelesenen Person enden, sondern in den Leben der Angehörigen fortwirken, als offene Wunde, die nie ganz verheilt; jedes Opfer eines Femizids ist mehr als die Zahl in einer Statistik – ein Mensch mit einer Geschichte, Beziehungen, Hoffnungen. Schreiber schenkt diesen verlorenen Leben Raum, Würde und Sichtbarkeit – und fordert damit nichts Geringeres als gesellschaftliche Veränderung. Große Leseempfehlung!
»Beziehungsdrama« schreibt die Presse, »Verbrechen aus Leidenschaft«, »Eifersuchtstat« oder »Familientragödie« – es gibt viele Euphemismen für Femizide. Begriffe, die verschleiern, dass es sich um gezielte Gewalt gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts handelt, die Verantwortung ins Emotionale (»Liebe«, »Eifersucht«, »Streit«) verschieben und damit ein strukturelles Problem entpolitisieren. In Verbindung mit den alarmierenden Statistiken – über 360 Frauen wurden allein 2023 in Deutschland von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet – nimmt sich Jasmin Schreiber in ihrem Roman »Da, wo ich dich sehen kann« diesem Thema an und schafft einen stillen, aber kraftvollen Appell gegen das Wegsehen.
Die neunjährige Maja weiß, dass sich ihre Eltern oft streiten. Papa ist zwar immer lieb zu ihr, aber er ist auch gewalttätig, Mama hat deswegen Angst vor ihm. Als Maja ihren leblosen Körper findet, verliert sie nicht nur ihre Mutter, sondern alles, was ihr einst Halt gegeben hat: ihre Familie, ihr Zuhause und jedes Gefühl von Sicherheit. Überwältigt von Trauer und Schuldgefühlen versuchen das Mädchen und die hinterbliebenen Großeltern, zusammen mit Patentante Liv, einen Alltag zu stemmen, den Behörden im Kampf um das Sorgerecht zu trotzen – und sich selbst nicht zu verlieren. Doch wie soll das eigene Leben weitergehen, wenn das einer Mutter, Tochter und Freundin viel zu früh – und so grausam – beendet worden ist?
Allgemeine Antworten kann es nicht geben. Aber Schreiber gelingt es, das Unsagbare zu benennen, ohne es auszustellen. Sie gibt jenen eine Stimme, die oft übersehen werden: den Hinterbliebenen, die nach einem Femizid mit der Leerstelle weiterleben müssen. Doch der Roman zeigt vielmehr, dass es nicht nur um eine einzelne Tat geht, sondern um die strukturelle Realität geschlechtsspezifischer Gewalt, die noch immer alltäglich ist. Und gerade weil Schreiber die Tat nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern das Danach, entwickelt »Da, wo ich dich sehen kann« eine enorme emotionale Tiefe. Es beschreibt, wie Trauer, Wut und Sprachlosigkeit sich in den Alltag einschreiben – in Gespräche, Gesten, Erinnerungen. Damit verdeutlicht der Roman, dass Femizide nicht mit dem Tod einer weiblich gelesenen Person enden, sondern in den Leben der Angehörigen fortwirken, als offene Wunde, die nie ganz verheilt; jedes Opfer eines Femizids ist mehr als die Zahl in einer Statistik – ein Mensch mit einer Geschichte, Beziehungen, Hoffnungen. Schreiber schenkt diesen verlorenen Leben Raum, Würde und Sichtbarkeit – und fordert damit nichts Geringeres als gesellschaftliche Veränderung. Große Leseempfehlung!