10 Tage Arrest

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dany_87 Avatar

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"Dafuq" ist der Debütroman von Kira Jarmysch und im Rowohlt-Verlag erschienen. Er umfasst 416 Seiten und handelt von der 28jährigen Anja, die auf einer Demonstration gegen Regierungskorruption festgenommen wird und nun eine zehntägige Strafe in einer russischen Arrestzelle absitzen muss.

Jarmyisch selbst ist Sprecherin des Russlandkritikers Alexej Nawalny und saß ebenso wie dieser bereits im Gefängnis. Diese Erlebnisse hat die Autorin versucht in ihrem Roman zu verarbeiten.

Der Leser begleitet Anja an diesen zehn Tagen und nimmt an ihrer Gedanken- und Gefühlswelt teil. Wir erfahren zum einen viel über Anjas bisheriges Leben, ihre Beziehungen und ihre politischen, als auch gesellschaftlichen Ansichten. Zum anderen lernen wir aber auch die Mitinsassinen näher kennen, die alle nicht aus politischen Gründen im Arrest sind. Sei es Maja, die alles in ihr Äußeres steckt um reichen Männern zu gefallen, Natascha, die schon einmal in einem richtigen Straflager war oder die Trinkerin Irka, die sich auch mal für eine Flasche Vodka prostituiert.

Das besonderes dieses Buches macht aus, wie diese sechs verschiedenen Frauen auf engsten Raum aufeinander treffen und miteinander umgehen müssen. Die verschiedenen Ansichten, Charaktere machen den Reiz aus und bauen eine entsprechende Spannung auf. Man lernt dabei viel über das heutige Russland. Von Putinanhängern und traditionellen Rollenbildern, aber auch moderne Freigeister und Feminismus. Reichtum und Armut. All dies liegt in dieser Zelle sehr eng beeinander und man muss sich zwingend - auch als Leser - mit den verschiedenen Ansichten auseinandersetzen.

Das Buch ist dabei allerdings weite Strecken sehr unaufgeregt, was irgendwie zu dem eintönigen Leben im Arrest passt. Dann kommen aber immer wieder hitzige Diskussionen oder skurile Ereignisse, die den Leser aufwecken und auch Überraschungen bereitshalten.

Durch die persönlichen Erlebnisse der Autorin kommt mir die Geschichte sehr echt, authentisch und wenig geschönt vor.
Das Buch ist hinsichtlich der einzelnen Arresttage in Kapiteln unterteilt, was ich sehr passend finde.

Der Protagonistin stand ich mit wechselnden Gefühlen gegenüber. Manchmal konnte ich die Gedanken und Beschreibungen von Anja gut nachvollziehen und dann wieder manche Emotionen überhaupt nicht verstehen. Auch fand ich die Thematiken manchmal zu unspektakulär für die Länge in denen sie thematisiert wurden.
Der Schreibstil war für mich ebenfalls teilweise etwas holprig, wobei ich nicht sagen kann, ob es am Stil der Autorin oder an der Übersetzerin liegt, da auch immer wieder Worte gewählt wurden, die man im normalen deutschen Sprachgebrauch so nicht verwenden würde.

Insgesamt auf jedenfall ein guter Roman über die aktuelle Situation in Russland, wobei es für meinen Geschmack noch politischer hätte sein dürfen.