10 Tage im Leben der Anja Romanowa

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stetsdasgute Avatar

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Ganz junge weibliche Literatur gibt es eh zu wenig, schon allein deswegen hatte Kira Jarmysch sofort meine Aufmerksamkeit. Ihr Schreibstil bisschen härter als anderswo, ein bisschen ruppiger, wie das Leben in Russland eben. Und das spürt ihre Protagonistin Anja Romanowa. Die Mitte-Zwanzigjährige wird auf einer politischen Demonstration, also einer gegen die Machthabenden, verhaftet und muss für zehn Tage in den Arrest. Die verbringt sie mit fünf anderen Frauen, sehr unterschiedlich allesamt und mehr oder weniger seltsam. Rau, aber liebevoll.

Jarmysch schafft starke Charaktere, Szenen, und Bilder. Fast ein Kammerspiel: das Gros der gut 400 Seiten spielt in der Arrestzelle. Schon nach wenigen Leseseiten gibt dieses Buch einen Einblick in den russischen Alltag, die Opposition und das Leben dort. Ein Land, mit dem wir uns mehr befassen sollten - auch und unbedingt literarisch.

„Unglaubliche Ereignisse im Frauenarrest“, so der russische Originaltitel ist ein tolles, vielversprechendes Debüt. Es hat hier und dort ein paar Längen und könnte mehr Tiefe haben. Insgesamt bleibt man auch ein bisschen ratlos zurück. Genau das spiegelt aber meines Erachtens das Leben im heutigen Russland wider: Widersprüche, Liebenswertes neben Abstoßendem und manches kann man sich einfach nicht erklären. Auf jeden Fall eine spannende Lektüre, modern und anders zu lesen, nicht so weichgespült. Ob es ein Happy End gibt, erfährt man nicht. Anja Romanowas Geschichte endet so plötzlich wie sie beginnt. Eindrucksvoll.