Gesellschaftskritik oder Gefängnis light

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In diesem Buch verarbeitet Kira Jarmysch ihre Erfahrungen mit der russischen Justiz und Exekutive. Als Pressesprecherin von Alexej Nawalny durfte sie deren Bekanntschaft schon mehrfach machen. Hier ist es stellvertretend die 28 jährige Protagonistin Anja, welche nach der Teilnahme an einer ungenehmigten Demonstration 10 Tage in Arrest muss. In der Zelle trifft sie einen Querschnitt der russischen Gesellschaft, wie die Alkoholikerin Irka, welche keinen Unterhalt für ihre Tochter gezahlt hat und die schöne Maja, die ohne gültigen Führerschein gefahren ist. Beide verdienen sich ihren Lebensunterhalt, in dem sie sich an Männer verkaufen. Die eine für eine Flasche Schnaps und die andere für ein Luxusleben.
Besonders interessant fand ich die Beschreibung des Alltags im Arrest. Die Langeweile, welche mit dem nervtötenden Radio, dass zusätzlich an den Nerven der Gefangenen zerrt, Anja langsam in den Wahnsinn treibt. Fixpunkte werden die Essensausgaben, wobei das Essen besser ist, als ich immer gedacht habe. Ansonsten ist Anja mit ihren Gedanken und Erinnerungen allein.
Die Gespräche mit den Insassen, aber auch den Polizisten, die einen guten Schnitt der Sorgen, Sehnsüchte und des Denkens abbilden, fand ich unglaublich interessant. Und ganz besonders schön für mein Empfinden war, dass das Buch nicht wertet. Die Missstände werden aufgezeigt, aber jeder kann sich sein eigenes Bild machen und wird nicht gedanklich in eine bestimmte Richtung gedrängt. Oh ja und der Titel passt. What the fuck - wie schnell und unverhofft, kann man in Russland in so eine Situation geraten, egal ob arm oder reich, jung oder alt. Ich finde dieses Buch absolut gelungen, habe aber gleichzeitig die Befürchtung, dass es in Russland auf den Index stehen wird.