Hohe Erwartungen nicht ganz erfüllt

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phoebe caulfield Avatar

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Anja Romanowa, 28, lebt in Moskau und nimmt an einer unerlaubten Demonstration gegen die Korruption in Russland teil. Dafür wird sie mit neun Tagen Arrest bestraft. In der Arrestanstalt, kein Gefängnis, trifft sie in ihrer Zelle auf eine Reihe weiterer Frauen, die dort aus den unterschiedlichsten Gründen ebenfalls einige Tage Arrest absitzen. Diese Frauen stehen für verschiedenste Milieus und Schichten im heutigen Russland. Die Schilderungen der neun Tage Arrest aus den Augen Anjas wechseln ab mit Rückblenden in ihre Jugend/Kindheit und Studienzeit. Hierüber erfahren die Leser_innen mehr über die Person Anja.

Die Geschichte, die einen Einblick in die heutige russische Gesellschaft bietet, hat mich sehr interessiert. Und das Buch versucht hier sicher auch sein bestes, quasi die Arrestzelle als russischer Minikosmos und die Rückblenden für den persönlichen Erfahrungs- und Entwicklungsweg von Anja. Allerdings fand ich es wirklich sperrig zu lesen, was in meinen Augen auch an der etwas unsauberen Übersetzung lag. Allzu oft bin ich an Worten und Formulierungen hängen geblieben, die einfach nicht zur story, den Charakteren oder der Tonalität des Buches passen wollten. Der Schreibstil erschien mir etwas hölzern oder gestelzt, wobei ich nicht sagen kann, wie dies im Original wirkt. Im Deutschen hat es mich eher kalt gelassen. Die Figuren blieben leider blass und zu eindimensional.

Nun mag Kira Jarmysch vielleicht eher aus dem journalistischen als dem literarischen Schreiben kommen. Wichtig finde ich trotzdem, dass sie mit dem Buch ihrer Generation eine Stimme gibt, die über die Grenzen Russlands hinaus Gehör finden kann. Man muss sich schon sehr für das Thema "Russland heute" interessieren, damit man beim Buch bleibt. Die Übersetzung erleichtert einem dieses Buch leider nicht.