Im Kopf einer russischen Oppositionellen

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flausenherz Avatar

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Kira Jarmysch ist Sprecherin des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und hat mir "DAFUQ" nun ihr erstes Buch veröffentlicht. Die Protagonistin Anja weist unweigerlich Parallelen zu ihrer Schöpferin auf: Sie studierte im Moskauer Institut für Internationale Beziehungen und auch sie nahm an regierungskritischen Demonstrationen teil und wurde dabei festgenommen.
Von den 10 Tagen im Arrest nach einer Demo gegen Korruption handelt "DAFUQ", ein Kapitel für jeweils einen Tag. Jarmysch lässt uns ganz nah ran an den Alltag im Arrest, stellt uns verschiedene Zellengenossinnen vor, die alle ihre eigene Geschichte mitbringen und insgesamt ein aufschlussreiches Bild vermitteln über das heutige Russland und die Missstände in Justiz und Gesellschaft. Homosexualität, Alkoholsucht, Straflager und Prostitution spielen hier eine Rolle, während Anja auch ihr eigenes Leben in Rückblenden reflektiert und seit Tag 1 ihres Aufenthalts von schaurigen Halluzinationen geplagt wird.

Diese kleine Gesellschaftsstudie auf kleinstem Raum - das meiste spielt sich in der Arrestzelle ab - hat mir sehr gut gefallen. Jarmysch bildet sehr gut konträre politische Meinungen und persönliche Konflikte ab, sodass ich das Gefühl hatte, einen guten Einblick in die russische Gesellschaft zu bekommen. Die ein oder andere Thematik hätte ich mir etwas weiter ausgearbeitet gewünscht, so hatte ich den Eindruck, größtenteils an der Oberfläche zu schwimmen. Stattdessen hätten ab einem bestimmten Punkt Einzelheiten über den Gefängnisalltag ausgespart werden können.

Zudem fand ich die insgesamt recht schnörkellose Ausdrucksweise teilweise zu gestelzt und realitätsfern. Hier hatte ich mehr authentische Sprache erwartet in Einklang mit dem Romantitel. Ob dies an der Übersetzung liegt oder an der russischen Diktion, die ins Deutsche übertragen seltsam wirkt, kann ich leider nicht beurteilen. Aber Aussprüche wie "Ach wo", "Eh Mann, wozu so in Schale" oder "Das gereicht mir nicht zum Ruhm" wirken völlig aus der Zeit gefallen und sind eher cringe.

Trotzdem eine interessante Geschichte mit spannenden Einblicken in den Kopf einer russischen Oppositionellen.