Anders als erwartet

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karo273 Avatar

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„Da ist sie: die Musterfamilie, die im Sand spielt. Ich zeichne etwas auf ein A4-Blatt. Nichts Bestimmtes. Würfel, die sich miteinander verbinden wie ein auswegloser Gedanke. Wir versinken im selben Meer der Bedürfnisse. Es ist uns nicht gegeben, Individuen zu sein.“

Die Prämisse dieses Buches klang ziemlich vielversprechend: Paulina, eine Frau in ihren 30ern wacht verwirrt und blutend in ihrem Auto auf. Mit ihr im Auto und Hund und eine Teenagerin, die sie nicht zu kennen scheint. Wie ist sie hier hingekommen? Und wer ist die fremde junge Frau in ihrem Auto?
Mit der Zeit scheint sich Paulina an mehr und mehr zu erinnern. Mit Hilfe von Rückblenden wird dann kapitelweise mehr aus Paulinas Leben erzählt. So erfährt man, dass sie aus Buenos Aires kommt, einen Exfreund namens Felipe und eine einzige Freundin namens Maite hat.

Das Buch wurde als „witzig und abgeklärt“ vermarktet, doch leider konnte ich mir nicht ganz erschließen, wo genau dieses Buch witzig sein sollte. Es gab zwar einige Szenen, die Ironisch das Patriachat kommentieren, doch die Protagonistin und auch die Antagonist*innen fand ich nicht wirklich lustig und überwiegend unsympathisch. Ich denke, dass vor allem der Punkt, dass mir Paulina so unsympathisch erschien, mein allgemeines Leseerlebnis stark beeinflusst hat.
Es gab einige Interessante Themen, die im Roman thematisiert wurden, wie beispielsweise toxische Beziehungen, Kinderwunsch oder sexuelle Gewalt, doch sie wurden immer nur auf der Oberfläche oder viel zu kurz behandelt. Immer genau dann, wenn es für mich interessant wurde, wurde das Thema gewechselt. Darüber hinaus habe ich mir an vielen Stelle mit der Übersetzung schwergetan. Ich kann leider kein Spanisch, kann dementsprechend die Übersetzung nicht mit dem Original abgleichen, doch es gab so einige Stellen, die im deutschen einfach nicht so rund klingen. Beispielsweise die folgende Stelle: „Ich drehte das Gesicht weg, und Felipe befummelte mich unter dem BH. Jetzt packt er mich mit einer mir unbekannten Kraft, er ist eine Krasse Seekrake. Ich glaube, er kann mit mir anstellen, was er möchte, ich könnte nicht mehr reagieren.“ (S. 130). Ich verstehe, was die Autorin sagen wollte, doch ich denke, dass man das hätte, im deutschen bisschen besser lösen können. Es wirkte leider öfters so, als hätte man sich für die Übersetzung nicht genügend Zeit genommen.
Wie bereits angedeutet, viel es mir schwer in einen Lesefluss zu kommen. Ich habe das Buch sehr oft aus der Hand gelegt und verspürte selten das Bedürfnis wieder danach zu greifen. Nach der ersten Hälfte wendete sich mein Leseerlebnis dann doch ein wenig zum positiven, da ich die Reise von Paulina und Maite spannend fand und auch einige interessante Themen angerissen wurde, doch leider nur angerissen.
Alles in allem ein Roman, der vielversprechend anfing, mich dann leider doch nicht so ganz überzeugen konnte.