Bewegendes Gesellschaftsdrama

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
kindder80er Avatar

Von

Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass sie mit dem Ende beginnt. Einem sehr dramatischen Ende, da das Baby von Myriam und Paul tot ist, die größere Tochter so schwer verletzt, dass sie wohl auch erliegen wird und die Nanny liegt mit aufgeschnittenen Pulsadern daneben. Myriam hat einen Nervenzusammenbruch, wollte sie doch ihre Kinder überraschen und ist ausnahmsweise früher von der Arbeit zurück gekommen...

Aus dieser apokalyptischen Szenerie wird der Leser dann bald wieder herausgerissen, denn nun begeben wir uns gemeinsam mit Myriam und Paul an den Anfang der Geschichte und auf die Suche nach einer Nanny. Myriam und Paul arbeiten sehr viel, wollen den Kindern etwas bieten, viel Geld verdienen und suchen eine Nanny, die "schuftet, damit wir schuften können".

Wir erfahren auch mehr über die Hintergründe und wie die beiden ticken. Myriam wirkt recht egoistisch, hat sie doch ihre kleine Tochter seit dem Babyalter überall mit hin geschleppt - selbst in Bars und Restaurants. Das zweite Baby, Adam, hat sie bekommen, weil sie noch ein bisschen zu Hause bleiben wollte und mutwillig die Pille weggelassen hat. Dennoch liebt sie ihre Kinder augenscheinlich wie jede andere Mutter auch. Mit der Zeit wird ihr aber alles zu viel, denn zwei Kinder hat sie eindeutig unterschätzt. Sie will frei sein, wieder leben, raus gehen und arbeiten, die Kinder nerven sie nur noch, sogar ein bisschen Kleptomanie schlägt durch, um sich ein bisschen Euphorie für den Tag zu sichern. Auch da offenbart sich wieder eindeutig der Egoismus und sonderlich sympathisch macht sich die Protagonistin damit nicht, dennoch kann ich sie teilweise verstehen.

Der Charakter des Paul bleibt ein wenig blass und Mila, die große Tochter, hat selbst mich genervt, weil sie immer die Prinzessin spielen muss. Kurzum: Die Familie ist einem merkwürdig unsympathisch, trotzdem will man so ein Ende für sie nicht und leidet mit.

Gerade weil man das Ende kennt, achtet man auf erste Anzeichen, die zu dem Drama führen. Louise, die Nanny, die scheinbar alles im Griff hat und neben den Kindern auch noch den Haushalt auf eine Weise führt, wie es Myriam und Paul nie geschafft haben, hat selbst eine schwere Vergangenheit, die sich dem Leser in Rückblenden Stück für Stück offenbart. Sie nistet sich immer mehr in das Leben der Familie ein, wird unentbehrlich und kommt nicht nur emotional immer näher heran. Auch werden einige Handlungsweisen sichtbar, bei denen man dem Elternpaar zurufen möchte, etwas zu unternehmen.

Den Schreibstil finde ich spannend, weil er nicht wertend ist und die Geschehnisse ruhig beschreibt.

Tolles Buch mit einer besonderen Sprachgewalt!