ein Horrorszenario

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sophia60 Avatar

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"Das Baby ist tot " , so beginnt der Roman von Leila Slimani .
In eher trockener und emotionsloser Sprache wird das ungeheuerliche Geschehen zur Ermordung zweier Kinder erzählt. Die Nackenhaare stellen sich beim Lesen auf und alle unbewussten Ängste kriechen hervor!
Wie konnte es dazu kommen?
Nach dem furiosen Anfang geht es im Buch eher ruhig und beschreibend weiter. Das in Paris lebende Ehepaar Myriam und Paul wird vorgestellt, die eine Nanny für ihre kleinen Kinder Mila und Adam engagieren, da sie wieder beide berufstätig sein wollen. Mit der fünfzigjährigen Louise haben sie anscheinend das große Los gezogen: Louise spielt hingebungsvoll mit den Kindern, sie bringt den Haushalt in Ordnung und hält die Wohnung tip top sauber. Sie kümmert sich um die Wäsche und sorgt jeden Tag für einen warme Mahlzeit. Egal wie früh am Morgen oder wie spät am Abend es ist, sie ist stets zur Stelle und bereit die Kinder zu beaufsichtigen.
Doch je unentbehrlicher Louise für die Eltern wird, umso mehr Macht bekommt sie auch. So lassen die Eheleute ihr so manche Ungeheuerlichkeit durchgehen, vom anzüglichen Schminken der Tochter über nächtliche "Restaurantbesuche" bis hin zum Füttern der Kinder mit einem verdorbenen Huhn, das Louise aus der Biotonne geangelt hat. Myriam und Paul ahnen nicht, in welchen prekären Verhältnissen Louise lebt und erst recht bemerken sie nichts von den sich immer mehr steigernden Wahnvorstellungen der Kinderfrau. Sie hat unübersehbare Schulden von ihrem Mann geerbt; ihre Mietwohnung wird gekündigt; sie gibt allen Kontakt zu Bekannten und Freunden auf und ist vollends verzweifelt, da Adam auch in den Kindergarten kommen soll und Myriam kein weiteres Kind mehr will, für das sie als Nanny dann sorgen könnte. Sie droht allen Rückhalt mit ihrer gefährdeten Stellung in "ihrer" Familie zu verlieren und so kommt es zu der verzweifelten Tat.
Ich fand das Buch von Anfang bis Ende sehr spannend und beieindruckend, jedoch hätte ich mir eine deutlichere Entwicklungsbeschreibung von Louises Wahn gewünscht. Ihr fanatisches Abdriften in eine Parallelwelt, ihr manischer Sauberkeitswahn, ihre gestörten Beziehungen zu den Mitmenschen hätte noch deutlicher ausgeführt werden können. Ich hatte das Gefühl, die Abgründe, die in Louises Seelenleben aufbrachen, wurden nicht verständlich genug beschrieben.