Großartig erzählt, lässt einen lange nicht los

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
juanita Avatar

Von

Myriam und Paul sind glücklich verheiratet und Eltern von zwei kleinen Kindern. Da beide in ihren Berufen nicht kürzer treten wollen, entscheiden sie sich, die Hilfe eines Kindermädchens in Anspruch zu nehmen. In Louise glaubt das Paar die ideale Nanny gefunden zu haben. Die adrette Frau kümmert sich mustergültig um Mila und den kleinen Adam, kann vorzüglich kochen und sorgt für Ordnung und Sauberkeit im Haushalt. Myriam und Paul genießen zunächst die neu gewonennen Freiräume und beglückwünschen sich zu ihrer Entscheidung. Doch nach und nach fallen ihnen bei Louise bestimmte Eigenarten auf, die vor allem Myriam merkwürdig ja geradezu unheimlich vorkommen. Das Paar trägt sich mit dem Gedanken, das Kindermädchen zu entlassen. Die Tragödie nimmt aber bereits ihren Lauf...

Wow, was für ein Buch! Die französisch-marokanische Schriftstellerin Leila Slimani erzählt eine grauenvolle Geschichte, aber sie tut es auf eine Art, die absolut grandios ist. Sie vermag es, die Aufmerksamkeit des Lesers von der ersten Seite an zu fesseln, indem sie sie ihn gleich am Anfang ihres Romans mit dem furchtbaren Ende konfrontiert, das etliche Fragen aufwirft. Sie rollt dann gekonnt die Geschichte zurück, um in Rückblicken zu berichten, wie es zu dem Drama gekommen ist. Die Autorin bewertet nicht und enthält sich jeder moralischen Verurteilung. Statt dessen gewährt sie uns tiefe und einfühlsame Einblicke in die Seele ihrer Protagonistin und zeigt an Beispiel von Louise auf, wie Einsamkeit, Liebesentzug und Armut einen Menschen zerstören können. Und auch wenn Louises Tat dadurch nicht zu entschuldigen ist und unverzeihlich bleibt, so konnte ich am Ende nicht anders, als Mitleid mit der Frau zu haben...

Ihre große Beobachtungsgabe beweist Slimani auch, indem sie ein lebendiges Bild von Paris und seinen Bewohnern entwirft. Der aufmerksame Blick der Autorin richtet sich dabei in erster Linie auf jene, die am Rande der Gesellschaft stehen und sich jeden Tag durchschlagen müssen. Es sind vor allem Frauen, die wie die Autorin selbst einen Migrationshintergrund haben. Sie nimmt ihre Existenzprobleme, ihre Sorgen und Nöte wahr, thematisiert die krassen sozialen Unterschiede und sensibilisiert auch den Leser dafür. Damit leistet die Autorin einen wertvollen Beitrag zum besseren Miteinanderleben – in Toleranz und Respekt füreinander.

Fazit: Harte Kost, aber sehr lesenswert!