Ein atmosphärischer und emotional bewegender Auftakt einer neuen Reihe

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Seit der Blakely-Brüder-Reihe und spätestens seit der Paper-Love-Dulogie bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Dark Academia Reihe gesetzt, die vor wenigen Tagen mit "Dark Ivy - Wenn ich falle" gestartet ist. Und auch wenn hohe Erwartungen häufig enttäuscht werden, konnte mich die Autorin mit ihrem atmosphärischen, emotional bewegenden Auftakt wieder vollkommen überzeugen.

"Wahrscheinlich ist das der Grund, warum mir Bücher so viel bedeuten. Ich kann mich nicht entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen soll und deshalb entscheide ich mich dafür, Hunderte anderer Leben zu leben."

Genau wie schon "It was always you", "It was always love", "Ever" und "Blue" ist auch "Dark Ivy" mal wieder einfach hinreißend und hochwertig gestaltet. Passend zum Reihennamen ist das Hauptmotiv dunkelblaue Efeuranken, die sich über den in schlichter Leinenoptik gestalteten Hintergrund des Covers, an den Kapitelanfängen und als Farbschnitt über die Buchseiten ziehen. In Kombination mit dem goldenen Titel wirkt das Cover zwar schlicht, aber sehr edel und ist damit eindeutig nach dem blauen Notizbuch gestaltet, das in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Auch die Innenlaschen der broschierten Ausgabe sind stimmungsvoll verziert und wer schon ein Blick in das Buch selbst geworfen hat, der weiß, dass man das Beste an der Gestaltung von außen gar nicht sieht. Denn wie alle Bücher von Nikola Hotel im Kyss Verlag hat auch die Dark Ivy Reihe ein gestalterisches Extra im Innenleben: Blackout Poetry. Viel vorwegnehmen möchte ich nicht, aber ich LIEBE einfach die Umsetzung dieser Idee!

Erster Satz: "Mein Kopf platzt.“

"Dark Ivy" steigt ohne große Umschweife mit Edens Ankunft in der Woodford Academy ein, die für die kommenden vier Jahre ihre Heimat sein wird. Wie in Nikola Hotels vorherigen Reihen passiert dabei auf den 416 Seiten auf der reinen Handlungsebene nicht viel Spektakuläres, dennoch wurde ich von der ersten Seite an in die Geschichte gesogen. "Dark Ivy" ist eines der Bücher, die man in einem Rutsch wegliest und danach kaum glauben kann, dass das wirklich über 400 Seiten waren, da es sich wie maximal die Hälfte angefühlt hat. Das liegt vor allem daran, dass sich die Autorin hier viel Zeit nimmt, ihre Figuren vorzustellen, uns LeserInnen ein Gefühl für das Setting zu geben und uns das Gewicht der emotionalen Päckchen spüren zu lassen, dass auf den Schultern unserer Hauptfigur lastet. Auf diese Weise haben wir ganz viel Raum, die sich langsam verändernde Dynamik zwischen Eden und William zu beobachten. Und diese ist von einer überraschenden Sanftheit, die ich aufgrund des Klapptexts überhaupt nicht erwartet hatte. Die Nähe zwischen den beiden entwickelt sich sehr natürlich und Schritt für Schritt. Neben der prickelnden Anziehungskraft, und den unterdrückten Gefühlen sorgen hier auch die Geheimnisse und neue und alte Wunden für eine unterschwellige Spannung, die einen nicht mehr loslässt.

"William ist schön. Anders schön. Er ist interessant. Er steht mit mir hier in der Küche und amüsiert sich, während es eiskalt auf uns niederprasselt und alles unter Wasser gesetzt wird. Er fasziniert mich. Dieses rote Feuermal in seinem Gesicht fasziniert mich. Er hat mein Buch verstümmelt und gleichzeitig mein Eselsohr glatt gestrichen und ein Lesezeichen reingelegt. Er hat Adderall genommen, mich aber davor gewarnt. Er hat scheinbar alles und doch wieder nichts, nicht mal ein Handy. Er bekommt von allem das Beste, und... er hasst es. Nicht das, was gerade passiert ist aufregend. William Gratham III. ist es.“

Wunderbar ist auch, dass die beiden Hauptfiguren von Anfang an nicht in typische Klischees passen und mit ihrer Widersprüchlichkeit ein lebendiges, rundes Bild abgegeben haben. Nikola Hotel beweist hier mal wieder, dass in Liebesgeschichten nicht Figuren, die eine möglichst schicke Projektionsfläche bieten, sondern solche, die möglichst authentisch sind, am meisten Gefühle transportieren können. Zwar lesen wir hier nur aus der Perspektive von Eden, durch den engen Austausch von Blackout Poetry und Notizen im Theaterstil sowie die sehr lebendige Mimik Williams und der gelungenen Kommunikation, erhalten wir auch von William einen sehr lebendigen Eindruck. Toll ist, dass sich die Autorin dazu entschieden hat, den ersten Eindruck, den wir von ihm als reichen, verwöhnten Bad-Boy haben, im Laufe der Geschichte immer mehr zu entkräften und ihn stattdessen als sehr feinfühligen und damit geradezu anbetungswürdigen Love-Interest an der Seite unserer verletzlichen, aber auf ihre Weise sehr starken Protagonistin, einzuführen.

"Ich bin kein klischeehafter Bad Boy mit dunkler Vergangenheit oder toxischer Familie. Keinerlei psychischer Schaden. Sorry, falls du das erwartet hast.“

Addiert man nun noch Nikola Hotels spritzigen Schreibstil zur Gleichung hinzu, ist ein emotionales Auf und Ab garantiert. Sie scheut zwar nicht das große Drama, hat durch ihre sensible und zart romantische Art, die Gefühle der Protagonisten auszudrücken aber trotzdem mein Herz gewonnen. Anders als in ihren vorherigen Reihen ist der Erzählton hier jedoch nicht von Leichtigkeit geprägt, sondern schwelgt hier geradezu in Düsterness. Mit Selbstmord und Depression hat die Autorin sehr ernste Themen verpackt, geht diese aber so emotional, sensibel und zart romantisch an, dass einem als Leser das Herz aufgeht. Zwar bleibt einiges nur angerissen und von anderen Aspekten wie zum Beispiel Williams Beziehung zu seinem Großvater oder die Krankheit von Edens Mutter hätte ich mir mehr erwartet, das kann ja aber noch in Band 2 vertieft werden. Neben den schwierigen Themen trägt auch die verwunschene Dark Academia Stimmung dazu bei, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann, beim Lesen aber gleichzeitig melancholisch wird. Mit Efeu überwachsene Backsteingebäude mit Erker und Kaminen, alte Bibliotheken mit Marmorstatuen und verstaubten Kunstwerken und Studentenpartys an einem kalten Strand - so entsteht ein atmosphärisches, lebendiges, authentisches Gesamtbild, in das ich mich einfach verlieben musste.

"Mein Dad sagt das auch immer. Zwanzig Prozent Talent, achtzig Prozent Schweiß. Und eigentlich ist das ziemlich motivierend. Man ist nicht davon abhängig, was die Gene einem mitgeben. Man kann an allem arbeiten, wofür man sich interessiert, und gut darin werden.“

Das Ende des Romans kam schnell, unterwartet und mit überraschender Härte, die rückblickend aber gut zur Geschichte passt. Leider müssen wir auf die Fortsetzung noch bis Mitte April 2023 warten, aber so haben wir zumindest die Gelegenheit zu verdauen, was Nikola Hotel uns hier als Cliffhanger vorgesetzt hat...


Fazit:

"Dark Ivy - Wenn ich falle" ist ein atmosphärischer und emotional bewegender Auftakt einer neuen Reihe, die wie gewohnt mit authentischen, lebensnahen Figuren, Fingerspitzengefühl bei ernsten Themen und einer edlen Gestaltung überzeugt. Anders als ihre vorherigen Reihen ist "Dark Ivy" jedoch deutlich düsterer und von mir nur an Menschen zu empfehlen, die sich gerade in einer guten Konstitution befinden.

4,5 Sterne