Light Academia

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
medsidestories Avatar

Von

Vor Beginn dieser Rezension ein Warnhinweis: Ich bin schon eine Weile keine regelmäßige Leserin von New Adult Romanen mehr. Ich habe es vor ca. zwei bis drei Jahren mal eine Weile mit dem Genre versucht und mich dann abgewandt. Trotzdem sehe ich prinzipiell viel Potenzial in diesen Geschichten. Gleichermaßen hege ich eine große Schwäche für das Dark Academia Thema und daher wollte ich "Dark Ivy" sehr gerne eine Chance geben.

Potenzial ist ein gutes Stichwort. "Dark Ivy" hat eine Menge Potenzial. Der Schreibstil der Autorin ist solide und sehr angenehm zu lesen. Das ist die erste Zutat zum Erfolg. Außerdem klingt die Handlung in ihrer Zusammenfassung wirklich nach Dark Academia: Geheime Machenschaften an einer Eliteuniversität. Außenseiterin mit dunklem Geheimnis. Das ist ein doppelter Check!
Das Problem ist: Es liest sich nicht so! Es liest sich wie ein gewöhnlicher New Adult Roman mit ein paar Dark Academia Accessoires. Also Tapeten und Stifteköcher. Mir kommt es vor, als hätte man einfach eine klassische New Adult Geschichte hergenommen und sie künstlich an das Thema angepasst. Außerdem werden für meinen Geschmack, wie so oft, Äußerlichkeiten ein bisschen zu sehr betont. Auf den ersten 150 Seiten steht mindestens dreimal, was für eine Jeans die Protagonistin heute wieder trägt. (Das hat mich vor allem auch gestört, weil der Style, der da immer wieder betont wurde, irgendwie gar nicht zu der Ästhetik gepasst hat, die das Buch eigentlich haben sollte. Sehr subjektiv, ich weiß.)
Was ich noch ein bisschen schade finde: Dark Ivy klingt (so wie viele andere dieser Bücher auch) sehr deutsch. Man hört der Geschichte eben an, dass sie eine deutschsprachige Autorin und keine Amerikanerin geschrieben hat.
Auch das College wirkt sehr modern, wobei allgemein wenig Atmosphäre erzeugt wird. Der Text ist sehr handlungszentriert. Dass die Gebäude auf der Insel Efeu bewachsen sind, wird mal in einem Nebensatz erwähnt. Mit der Stimmung und Mystik der großen amerikanischen Dark Academia Klassiker hat das wenig zu tun.
Nichtsdestotrotz halte ich "Dark Ivy" für ein Grunde genommen gutes Buch, wenn man das Genre mag. Die Protagonistin ist liebenswert, man kann mit ihr mitfühlen. William ist ebenfalls ein Sympathieträger. Ich finde die Idee, dass er ein prominentes Feuermahl hat sehr spannend. Zwischen den beiden wird kein unnötiges Drama herbei geschrieben. Natürlich gibt es trotzdem viel Drama und die ein oder andere schwierige Backstory. Aber genau das wünscht man sich von einem solchen Buch doch!
Außerdem gefällt mir die englischsprachige Buchseitenpoesie, die immer wieder in den Text eingestreut ist. Ich habe so etwas bisher noch nie gesehen! Wirklich sehr kreativ!
Die Geschichte hat definitiv Drive. Man möchte wissen, was da los ist und wie es weitergeht. Auch wenn das eher an den zwischenmenschlichen Beziehungen und weniger an einem großen mystischen Rätsel hängt.

Fazit:
Ich bin offensichtlich doch nicht die Zielgruppen-Leserin, die Autorin und Verlag mit Dark Ivy erreichen wollen. Objektiv betrachtet bin ich überzeugt davon, dass ganz viele dieser Leser*innen das Buch lieben werden. Es ist einfach eine sehr modernisierte, auf junge Menschen im Jahr 2022 zugeschnittene Version der Bücher, die typischerweise im Zusammenhang mit Dark Acaedmia genannt werden. Vielleicht kann man es als Light Academia bezeichnen.