Ein Verwirrender Auftakt

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Der Fantasyroman Dark Labyrinth – Gefährliches Verlangen präsentiert sich bereits auf den ersten Blick mit einem auffälligen Cover: Dunkle Farben, neblige Strukturen und ein stilisiertes Labyrinthmotiv erzeugen eine mystische, geheimnisvolle Atmosphäre. Der Titel ergänzt diesen Eindruck und weckt Erwartungen an eine gefährliche Reise durch eine fantastische, vielleicht sogar albtraumhafte Welt. Die Gestaltung wirkt hochwertig und stimmig, allerdings spricht sie klar ein bestimmtes Genre-Publikum an – wer düstere Romantasy mit Sinnlichkeit erwartet, wird sich angesprochen fühlen.

Zur Geschichte (spoilerfrei):
Die Handlung beginnt mit einer Frau, die ohne Erinnerung an einem fremden, unwirklichen Ort erwacht – einem Labyrinth. An ihrer Seite: ein ebenso geheimnisvoller wie provozierender Begleiter. Von da an entfaltet sich eine Geschichte zwischen Orientierungslosigkeit, gefährlichen Prüfungen und einer unklaren Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren.

Umsetzung des Themas:
Das Grundkonzept ist durchaus reizvoll: Eine Protagonistin ohne Gedächtnis, die in einer mystischen Umgebung ihre Identität und Macht zurückerlangen muss. Leider schöpft die Autorin dieses Potenzial nur bedingt aus. Die Geschichte bleibt lange auf der Stelle stehen, entwickelt sich eher über angedeutete Konflikte und emotionale Spannungen als über konkrete Handlung. Dadurch entsteht teilweise das Gefühl, dass mehr geredet als erzählt wird. Das Labyrinth als zentrales Symbol bleibt zwar bildgewaltig, verliert aber an Wirkung, weil es zu wenig in den Plot integriert ist – mehr als ein dekorativer Hintergrund wird es selten.

Schreibstil:
AdriAnne May schreibt in einer sehr bildhaften, fast poetischen Sprache. Sie arbeitet stark mit sinnlichen Beschreibungen, Metaphern und inneren Monologen. Das erzeugt zwar eine dichte Atmosphäre, wirkt jedoch stellenweise überladen und anstrengend. Besonders in den Dialogen zwischen den beiden Hauptfiguren bleibt der Stil häufig im Theatralischen verhaftet. Wer sich an ausdrucksstarker, emotional gefärbter Sprache erfreut, wird hier fündig – wer es direkter und klarer mag, könnte Schwierigkeiten haben.

Die Figuren:
Die Hauptfigur ist ein klassischer „Leitfaden“-Charakter: Sie weiß nichts, wir wissen nichts, und gemeinsam sollen wir die Welt verstehen. Das funktioniert nur teilweise, da ihre Entwicklung in der Leseprobe kaum vorankommt. Ihre Gedanken drehen sich oft im Kreis, was zwar die innere Zerrissenheit verdeutlicht, aber auch ermüdend sein kann.

Ihr Begleiter – ein undurchsichtiger, übermächtiger männlicher Charakter – bringt eine gewisse Dynamik ein, doch seine Rolle schwankt zu sehr zwischen Antagonist und Love Interest. Die Beziehung der beiden wirkt gewollt provokant, aber emotional wenig nachvollziehbar. Die chemische Spannung, auf die der Text so stark setzt, wird durch eine toxische Interaktionsweise belastet, die nicht reflektiert oder eingeordnet wird. Gerade jüngere Leser*innen könnten hier fragwürdige Beziehungsideale vermittelt bekommen.

Was ist interessant an diesem Buch?
Trotz meiner Kritik bietet Dark Labyrinth einige interessante Aspekte. Die mythologische Bildsprache, die Idee von Macht durch Schmerz und das zentrale Motiv der Selbstfindung haben Tiefe. Auch die Frage, wie viel Erinnerung für Identität nötig ist, wird subtil gestellt. Das Buch ist für Leser*innen spannend, die sich auf eine düstere, langsame Geschichte mit starkem Fokus auf Atmosphäre und Charakterdynamik einlassen wollen.

Die Autorin & Übersetzung:
AdriAnne May ist – soweit ersichtlich – mit Dark Labyrinth auf dem deutschsprachigen Markt noch relativ neu. Der Originaltitel Exquisite Ruin deutet bereits auf das Spannungsverhältnis zwischen Schönheit und Zerstörung hin, das sich im Text wiederfindet. Die Übersetzung von Bianca Dyck wirkt solide und bemüht sich, die Ausdrucksstärke der Originalsprache beizubehalten, was teilweise jedoch zu sprachlicher Schwere führt.

Fazit & Empfehlung:
Dark Labyrinth – Gefährliches Verlangen ist ein visuell eindrucksvoller, sprachlich intensiver Roman, der sich stark auf symbolische Bilder und dunkle Emotionen verlässt. Die Handlung bleibt in der Leseprobe jedoch dünn, und die Figurenzeichnung schwankt zwischen interessant und problematisch.

Empfehlung: Für Leser*innen, die düstere Fantasy mit romantischer Spannung, mystischer Atmosphäre und emotionalen Extremen suchen. Wer Wert auf Tempo, klare Entwicklungen und gesunde Beziehungsmuster legt, wird hier eher nicht glücklich.