Stimmen aus dem Grab

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theresia626 Avatar

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Die Taschenbuchausgabe des Thrillers „Darling Jim“ des dänischen Autors Christian Mørk ist unter dem Titel „Teufelslist“ erschienen. Es ist ein hypnotisierender Thriller im Stil einer irischen Gothic Novel mit einer wunderbaren vielschichtigen Geschichte, die in einem kleinen Städtchen in Irland, in Malahide, nördlich von Dublin beginnt. Der Postbote Desmond Kean schleppt schon seit mehr als achtzehn Jahren seinen Postsack über die Straßen der Stadt. Eines Tages entdeckt er durch den Briefschlitz des Hauses von Mrs. Walsh deren sterbliche Überreste. Moira Walsh war vor knapp drei Jahren hierher gezogen. Wo sie herkam, das wusste niemand so genau. In ihrem Haus, das später nur noch das Spukhaus genannt wird, entdecken die Gardaí neben jeder Menge Rattengift im Obergeschoß zwei weitere Leichen. Wie sich später herausstellt, hatte Moira Walsh ihre 24jährige Nichte Fiona und deren zweiundzwanzigjährige Schwester Róisín aus Castletownbere wie Gefangene gehalten, und ihnen über mindestens sieben Wochen Rattengift in ihr Wasser gemischt. Ihre Leichen waren bis auf das Skelett abgemagert und im Keller des Horrorhauses entdecken die Gardaí Hinweise auf einen dritten Leidensgefährten, der höchstwahrscheinlich mit Handschellen an einem Handgelenk fliehen konnte. Einige Zeit später findet der Postbeamte Niall Cleary das Tagebuch von Fiona in der Briefsortiermaschine des Postamtes und nimmt es an sich. Auf dem Tagebuch steht eine Botschaft für den Empfänger: „Wir sind bereits verloren. Lies diese Geschichte nur, damit wir nicht vergessen werden.“ (S. 35) (…) „Wir werden in diesem Haus sterben, weil wir einen Mann namens Jim liebten, ohne seine wahre Natur zu kennen. Pass gut auf, ich werde dir erzählen, wie alles geschah…“ (S.41) Das Tagebuch offenbart Niall die Geschichte der Familie Walsh. Was in Malahide passiert ist, hat in Castletownbere vor nicht ganz drei Jahren seinen Anfang genommen. Es beginnt an dem Tag, als der Geschichtenerzähler Darling Jim Quick mit seiner alten roten Vincent Comet in die Stadt kommt. Er gehört einer alten Bruderschaft der Erzähler an, er ist ein seanchaí. Gegen Bezahlung erzählt er Geschichten von Liebe, Leid und Gefahr, von König Stiofán und seinen Zwillingssöhnen Euan und Ned und einer furchteinflößenden Festung des Wolfes. Alle Anwesenden erliegen seinem Charme auch die Tante der Walsh-Schwestern, doch Darling Jim ist nicht nur ein großer Geschichtenerzähler, er manipuliert die Menschen und ist, wie sich später herausstellt, ein Psychopath. Niall, der seine Arbeit verloren hat, verlässt Malahide und begibt sich auf die Reise in die Vergangenheit der Walsh-Schwestern. Unter Einsatz seines Lebens kommt er in den Besitz von Róisíns Tagebuch, und er entdeckt die dritte, lange Zeit auf mysteriöse Weise verschwundene Schwester Aoife. Auch sie hat ein Tagebuch geschrieben, das aber nicht Eingang in den Roman findet.

Christian Mørk hat mit "Teufelslist"/"Darling Jim" einen wunderbaren Thriller geschrieben, eine makabre Geschichte, die den Leser unaufhörlich in ihren Bann zieht und ihn erst nach der letzten Seite wieder loslässt. Der Autor hat sich, wie er im Nachwort ausführt, an einem wahren Familiendrama orientiert, das sich in einer irischen Gemeinde, auf einem einsamen Gehöft, im Jahr 2000 abgespielt hat. Dort fand man die Leichen einer 83jährigen Frau und ihrer drei Nichten, die sich zu Tode gehungert und so Selbstmord begangen hatten. Ausgehend von dem realen Fall entwickelt Mørk einen psychologisch fundierten Krimi, in dem sich Elemente von Horror, Märchen und Mythologie mischen. Es ist ein ungeheuer vielschichtiger Roman über Liebe, Leidenschaft und Eifersucht und die Macht der Verführung, der durch seine raffinierte Erzählstruktur besticht. Mehrere Erzähler mit ihrer jeweils eigenen Stimme erzählen aus wechselnder Perspektive immer neue Geschichten in Geschichten und thematisieren damit auch die verführerische Wirkung des Geschichtenerzählens selbst. Gekonnt spielt der Autor mit den Konventionen verschiedener Genres und schafft ein originelles, wahrhaft innovatives Stück Spannungsliteratur. Ohne Einschränkung zu empfehlen.