Unentrinnbar - ein Wolf, dem man nicht entkommen kann

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nahadriel Avatar

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"Darling Jim" ist das erste Buch seit langem, daß ich innerhalb weniger Stunden gelesen habe, weil ich es nicht weglegen konnte. Moerk ist damit ein athmosphärisch sehr dichter Krimi gelungen. Obwohl Jim selbst nie in seiner Gedankenwelt, sondern immer nur in der Außensicht durch die Augen Dritter gezeigt wird, ist er dem Leser so nahe als ob diesen das Geschehen unmittelbar beträfe, so intensiv schreibt Moerk.

Im Endeffekt ist es eine nüchterne Darstellung traumatischer Erlebnisse, die für sich genommen den größten Teil der Geschichte über nicht schlimm wären, aber in der Häufung, dem Erleben durch die Akteure und die Darstellung durch den Autor zum faszinierenden Kaleidoskop von Stimmungen und Emotionen werden. Hier wird tödliche Aggression zweifach dargestellt: als nachvollziehbare Motivik, fast schon rational, und im Gegensatz dazu als spielerische Leichtigkeit zur bloßen Unterhaltung eines Psychopathen; ist der Grund der Frauen eine Art Rache, der wütende Schutz der jeweils anderen, ist Jims Begründung wohl noch am ehesten "weil er es kann".

Die Protagonisten sind normale Menschen ohne jeglichen Besonderheiten. Einzig das Charisma des Geschichtenerzählers mag als fast schon mysthische Kraft durchgehen, bleibt aber durchweg im realistischen Bereich, was sicherlich auch die Güte des Romans ausmacht: das alles hätte exakt so geschehen können. Die Schwestern sind zwar von unterschiedlichem Wesen, bilden aber eine unverbrüchliche Einheit; dennoch gelingt es Moerk sie nicht in unglaubwürdige Harmonie zueinander und  zu ihrem Umfeld zu setzen, sondern gibt auch ihnen Konflikte ein, die mehr als menschlich sind.

Die Geschichte wird kunstvoll geschachtelt erzählt. Begonnen wird der Reigen durch den Postboten Desmond in der Idylle eines irischen Dorfes, was schnell zerschlagen wird. Die eigentliche Geschichte wird durch die Tagebücher der Mädchen erzählt, was in einen Rahmen gepackt wird. Untypischerweise bildet sich hier kein doppelter Entwicklungsroman heraus, ws sehr angenehm ist.

Insgesamt ist "Darling Jim" ein äußerst gelungener Psychopath, der den Leser über die Entfernung der Illusion hinweg in seinen Bann schlägt.