Dieser Roman geht unter die Haut (Jetzt schon mein Highlight 2021)

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leseprinzessin1991 Avatar

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„Das achte Kind“ von Alem Grabovac

Über die Plattform Vorablesen.de bin ich auf den neuen Roman von Alem Grabovac gestoßen. Zunächst wirkte dieser zumindest äußerlich sehr schlicht. Doch als ich mir den Klappentext durchlas, war ich sofort begeisert. Ich muss dazu sagen, dass mein Vater selbst in Serbien geboren wurde und in Frankfurt lebt, während der Protagonist halb Bosnier und halb Kroate ist und ebenso in Frankfurt gelebt hat. Ich wollte bei der Lektüre unbedingt mehr über das Leben als Gastarbeiterkind und den damit verbundenen kulturellen Hintergrund erfahren.

Es handelt sich um einen autobiografischen Roman, dessen Ereignisse sich wirklich abgespielt haben. Der Roman ist in 3 Abschnitte unterteilt: Im ersten geht es um Alems Mutter Smilja und ihre Einwanderung nach Deutschland, im zweiten Teil wird Kindheit erzählt und im dritten Teil geht es darum, wie Alem mit seinem Schicksal umgeht. Das gesamte Buch ist aus der Perspektive von Alem erzählt, auch die Handlungsstränge, in denen er noch ein Baby ist und die er nur aus Erzählungen seiner Eltern kennt. Dieses stilistische Mittel war für mich als Leserin zunächst ungewohnt, hatte aber den Effekt, dass ich mich in Alem hineinversetzen konnte. Überhaupt ist der Autor ein großartiger Erzähler, der die Geschichte in allen Facetten erzählen kann. Als Leserin war ich immer wieder hin und hergerissen zwischen Lachen und Weinen, konnte jede Emotion nachfühlen und habe am Ende sogar die eine oder andere Träne vergossen (was mir so gut wie nie bei Büchern passiert). An einigen Stellen musste ich laut auflachen, weil die Dialoge so witzig geschrieben waren. Auch die Idee des ersten multikulturellen Laufstalles (vgl. S.96) fand ich originell und außergewöhnlich.

Doch es handelt sich hier nicht bloß um eine rührselige Geschichte eines Gastarbeiterkindes. Es handelt sich hier, wie vom Maxim Biller auf dem Buchrücken treffend beschrieben, um einen Bildungsroman. Der Autor, der profan gesagt in zwei Welten lebt, stellt diese immer wieder kontrastartig einander gegenüber. Der Leser könnte glauben, Alem sei hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Welten, der Autor bricht allerdings mit diesem Klischee. Dieser Roman ist ein Stück über die Identität, wie sie sich konstituiert und in welchen Situationen sie einem „übergestülpt“ wird. Anders als man erwartet passiert dieses Aufzwängen einer Identität nicht nur Alem, sondern nahezu allen Charakteren. Besonders unterhaltsam fand ich es beispielsweise, dass eine ganze Familie als „Die Amis“ bezeichnet wurde, obwohl bloß eines der zahlreichen Mitglieder aus den USA kam.

Alem selbst scheint trotz dieser Umstände genau zu wissen, wer er sein möchte und was er nicht vertritt. Dies sieht man an den Auseinandersetzungen mit seinem Pflegevater. Allerdings will Grabovac keineswegs nur die eigene positive Entwicklung darstellen. Sein Stiefbruder verkörpert das Gegenteil und scheitert in Deutschland. Am Ende verschärft sich der Kontrast zwischen dem scheinbar idyllischen Schwarzwald und dem von Krieg bedrohten Jugoslawien
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Fazit: Der Roman erzählt aus der Sicht eines Kindes eindrucksvoll die Erlebnisse in den 1970er bis 1990er Jahren. Ich als Leserin war von Anfang an gefesselt und berührt von diesem Schicksal, da der Autor es mit seinem außerordentlichen Erzähltalent schaffte, dass reale Bilder in meinem Kopf entstehen. Schon jetzt ist dieses Buch ein Lesehighlight des Jahres 2021 und ich möchte fast behaupten, dass jeder es lesen sollte.