Wir sind eine Familie

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owenmeany Avatar

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Zwei Möglichkeiten hat ein Krimiautor, um ein herausragendes Werk zu schaffen: entweder ihm gelingt eine fesselnde, originelle Dramaturgie oder er transportiert erhellende Einblicke in ein Sachthema. Letzteres kann sich sehr interessant und lehrreich auswirken, läuft aber auf eine Gratwanderung hinaus. Einerseits kann dieses Thema zum bloßen Verwand gerinnen, besonders wenn es per se spektakulär ist und deshalb Leser anlockt, andererseits läuft es Gefahr, dermaßen akademisch zu geraten, dass dabei die Spannung verloren geht.

Diesem Dilemma ist Gruen bei "Affenhaus" meiner Ansicht nach ganz gut gerecht geworden. Mit welch liebevoller Anteilnahme lässt sie sich auf unsere stammesgeschichtlichen Ahnen ein, deren durch die Genforschung zunehmend entdeckte Verwandtschaft mit uns Menschen allenthalben in der Presse Aufmerksamkeit weckt. Und welche Ideen entwickelt sie daraus. Da habe ich mich während der Lektüre oft gefragt, warum vorher noch niemand darauf gekommen ist. Freilich wurde in Fachpublikationen bereits veröffentlicht, dass es Kommunikation mit Affen durch Gebärdensprache gibt. Aber welche Gefahren gerade aus der Menschenähnlichkeit entstehen, wenn sich dessen skrupellose Massenmedien bemächtigen! "Big Brother"-Sendungen, das Vermarkten der sexuellen Aktivität bei den Bonobos in Pornoformaten - eine entsetzliche Entwürdigung solch wehrloser Geschöpfe.

Freilich ist die Personage etwas plakativ geraten, aber Gruen wollte eben einen Roman für eine breite Leserschaft schreiben. Das halte ich für legitim, wenn ich bedenke, welche Denkanstöße sie dadurch vermittelt.