Eine tröstliche und besondere Geschichte

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Odile lebt in einem Tal, das es nicht nur einmal gibt. Richtung Westen existiert es noch einige Mal, bloß in der Vergangenheit. Und Richtung Osten existiert in der Zukunft. Das Leben findet in all diesen Dörfern parallel statt. Doch Besuche sind nur bei außergewöhnlichen Trauerfällen erlaubt und auch dann nur unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Denn jede kleinste Veränderung in einem der anderen Dörfer hätte große Auswirkungen auf alle anderen.

Als Odile eines Tages in den Besuchern aus der Zukunft die Eltern ihres Schulkameraden Edme erkennt, weiß sie, dass ihm etwas zustoßen wird. Aber kann sie es ihm sagen? Und welche Auswirkungen wird die Entdeckung auf ihr eigenes Leben haben?

Ich habe wirklich lange kein Buch mehr gelesen, über das ich so viel nachgedacht habe und das mich bewegt und gleichzeitig in erzählerischer Hinsicht so gefesselt hat wie "Das andere Tal"!

Das Buch wirft unterschiedliche Fragen auf und verbindet philosophische Gedanken mit Schmetterlingseffektmäßigen erzählerischen Verknüpfungen, die diesen Debütroman für mich herausstechen lassen.

Denn was wäre denn, wenn wir manchmal im Voraus sehen könnten, welchen Konsequenzen unsere Entscheidungen haben werden? Würden wir dann nicht ganz anders entscheiden? Kann man von uns erwarten, dass wir immer in jedem Moment das Richtige für uns und für andere tun? Und wäre es nicht einfach fair, wenn wir manchmal eine zweite Chance kriegen würden, wenn die Zeit uns nicht in ihrer Linearität gefangen halten würde.

"Das andere Tal" ist ein Roman über Entscheidungen, die man bereut, über all die Was-wäre-gewesen-wenn und Hätte-ich-doch-nur, die sich im Laufe eines Lebens ansammeln. Aber es ist noch so viel mehr. Die Geschichte zeigt, wie verbunden alles miteinander ist, wie Entscheidungen, die wir oder die andere treffen, unser Schicksal beeinflussen und wie wir Lebenswege einschlagen, ohne uns dessen bewusst zu sein. Gleichzeitig liest sich der Roman als ein Porträt all der Spuren, die ein Leben hinterlässt.

Und schließlich ist es auch eine Geschichte über Trauer, über die Brutalität von Verlust, der einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Die Geschichte zeigt, wie es ist, wenn wir uns nach Verlusten in Richtung einer Zukunft bewegen müssen, während wir uns eigentlich nach der Vergangenheit und seiner Menschen sehnen.

Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, das Jahr ist ja noch jung, aber dieses Buch hat Jahreshighlight-Potential. Deshalb: Lest es!