Was würdest du tun?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
benne Avatar

Von

„Das andere Tal“ ist ein klassischer Fall von: Prämisse yeah, Umsetzung meh. Wenn du in dem westlichen Tal deine Welt vor 20 Jahren und im östlichen Tal in 20 Jahren vorfinden würdest, würdest du hinübergehen? Wenn ja, wohin? Wieso? Würdest du wieder zurückkommen? Was könnte schiefgehen? Wem sollte man es erlauben?

Vor allem der letzten Frage widmet sich Scott Alexander Howard, promovierter Philosoph, in seinem Debüt. Zu Anfang des Romans möchte seine Protagonistin Odile eine Ausbildung machen, an dessen Ende sie eine derjenigen ist, die entscheidet: Wer darf von Osten und Westen kommen? Wer darf gehen? Eine unheimlich spannende Idee, auf die viele Dilemmata folgen, die sich Odile stellen muss. Der erste Teil des Buches war deshalb ein durchdachtes Gedankenexperiment, in dem der Autor womöglich alle Register des philosophischen Erzählens gezogen hat.

Sobald sich die Handlung von ebendieser Ausbildung entfernt und Odile nicht mehr mit Fallbeispielen konfrontiert wird, fällt meiner Meinung nach der Spannungsbogen stark ab. Odile wird zu einer immer undurchschaubareren Person und ganz abrupt wechselt die Charakterzusammensetzung. Es fühlte sich auf weite Strecken sogar wie ein ganz anderes Buch an. Die Brisanz, die heftigsten Vorkommnisse, die in der Theorie passieren könnten, finden nicht statt. Es scheint, als würde der Autor nicht alles ausschöpfen und vor allem auf den letzten 100 Seiten auf der Stelle treten. Schade, denn es steckte wirklich Potenzial in diesem Roman.