Wunderbar geschriebene Dystopie

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
evaliest Avatar

Von

“Headstones were the closest things I'd carved to people” (221)

The Other Valley von Scott Alexander Howard ist ein Zeitreiseroman, der ohne komplizierte Maschinerie auskommt. Stattdessen gibt es eine unendliche Kette identischer Täler, getrennt durch unwegsame Gebirge, die jeweils genau 20 Jahre voneinander getrennt sind. Übertritt man die Grenze im Westen, reist man zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit, im Osten führt es die Reisenden in die Zukunft. Die Zeitreise durch eine geographische Komponente zu symbolisieren, macht es dem Autor zwar einfacher, denn er muss keine physikalischen Aspekte außerordentlicher Ingenieurskunst vermitteln; für mich als Leserin ist es aber irgendwie schwieriger zu glauben. Mein Unverständnis klassischer Zeitmaschinen kann ich sehr glaubwürdig auf mangelnde Kenntnisse der Atomphysik zurückführen. Bei Howards Variante muss die suspension of disbelief schon sehr hart arbeiten und ich ertappe mich beim Lesen immer wieder bei der Frage “Aber wie…?”. Und das zieht sich leider bis zum Ende durch. Während mir die Geschichte- vor allem im ersten Teil - sehr gefallen hat und auch bis zum Schluss durchaus spannend bleibt, wirft das Ende ein Zeitreiseparadoxon auf. Dieses wird dadurch gelöst, dass einfach postuliert wird, dass das so funktioniert. Kann man so machen. Hat mich jedoch sehr frustriert und dazu geführt, dass der Autor mich auf der Zielgeraden noch verloren hat.
Sollte euch das bisher nicht davon abhalten, dem Roman eine Chance geben zu wollen, oder euch sogar gerade neugierig gemacht haben, würde ich sagen: lest ihn! Die Prämisse an sich ist wirklich interessant, und wenn ihr es schafft, gewisse Einzelheiten nicht zu hinterfragen, kann sie auch durchaus gut funktionieren. Vom Vibe her hat mich hat das Buch an The Giver von Lois Lowry erinnert (obwohl es darin ja gar nicht um Zeitreisen geht), und wenn euch das auch gefallen hat, würde ich euch The Other Valley empfehlen. Dazu finde ich die Perspektive der Protagonistin sehr gelungen - vor allem wenn man bedenkt, dass hier ein Mann einen weiblichen Teenager schreibt (was in meinen Augen in den meisten Fällen irgendwo zwischen unlogisch und peinlich rangiert).