Leben aus zweiter Hand

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gkw Avatar

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Das war wieder einmal ein Buch ganz nach meinem Geschmack. Ich habe ein Faible für wunderliche Menschen (zumindest in Büchern) und neige selbst dazu, Listen zu erstellen oder Excel-Tabellen zu erfassen.
Wunderlich ist der Namenlose auf jeden Fall, er hat leicht autistische Züge, benötigt Routinen und stellt sich selbst Regeln auf. Er ist einsam und schicksalsergeben, seine Grundhaltung erinnert an Peter Vorden aus "Seltene Affären“ von Thommie Bayer.

Wir begleiten ihn nun bei einem Lebensabschnitt, in dem sich viele Veränderungen auftun. Während er eben noch den Spaß an der Passivität und am Zerfall hatte, überwiegt nun auf einmal das Bedauern.

Das Lesen erfordert Konzentration, da der Ich-Erzähler ständig zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her wechselt, und dabei nicht immer Tempus gewechselt wird.
Zusätzlich wird nach einer Weile klar, dass manche Erinnerungen keine Erinnerungen sind, sondern Phantasien. Da hatte ich eine Zeitlang Schwierigkeiten bei der Zuordnung, aber früher oder später stellt man fest, dass es völlig egal ist, ob eine Erinnerung echt oder Teil seiner Phantasie ist.

Es ist ein ruhiger, leiser, teilweise melancholischer Erzählstil mit kunstvoll fließenden Übergängen zwischen Erinnerung und Phantasie.
Eine wunderbare Geschichte, über einen einsamen Menschen, der sich dem Leben bisher entzogen und sich seine eigene Welt aufgebaut hat und nun vor der Entscheidung steht, alles weiter so laufen zu lassen oder vielleicht doch einmal zu versuchen, das Leben zu beginnen.

Das Cover gefällt mir nicht, es sieht optisch nicht schlecht aus, aber ich kann nach Lektüre des Buches nicht den geringsten Zusammenhang erkennen.