sehr guter schreibstil, nur die figuren bleiben flach

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blätterwald Avatar

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Ist unser Leben nur eine Akte, die verwahrt und bewahrt wird von anderen?
Diese Geschichte ist ungewöhnlich gewöhnlich. Das Leben in Akten. Das Leben katalogisiert und aufgeräumt. Immer greifbar und doch so weit weg. Was wird hier erzählt? Von einem kauzigen Mann, der sich selbst genügt und seine eigene Ordnung braucht. Oder von der großen, nie wirklich erwiderten Liebe, die nie wirklich aufhört, oder man meint, dass sie nie aufhört zu existieren. Eben weil sie unausgesprochen und ungelebt ist und es erst eines Anstoßes bedarf, um sie zu erwecken?
Der Erzählstil ist sehr mitnehmend, und was auffallend ist, ist die fehlende wörtliche Rede. Der Autor nimmt den Leser mit in zwei Welten und man muss sich schon darauf einlassen, um die reale von der fiktiven zu unterscheiden. Das macht der Autor sehr geschickt und hat in der Figur des Protagonisten die ideale Erzählfigur dafür erschaffen. Der ist verliebt, oder meint es zu sein, in seine Klassenkameradin Franziska, der späteren Sängerin Fabienne.
Einmal gesteht er ihr in jungen Jahren seine Liebe. Das war es dann aber auch schon. Danach kommen die Frauen auf den Ich-Erzähler zu und er lässt geschehen. Überhaupt geschieht das Leben des Ich-Erzählers, diesen Eindruck erhält man beim Lesen. Ob beruflich oder privat. Er forciert nichts, er macht seine Arbeit im Archiv, mehr als gewissenhaft und das sogar über das berufliche hinaus. Im Archiv, bei seinen Akten, da hat er die Kontrolle, da kann er sortieren und einordnen.
Der Sprachstil, der Umgang mit den Worten, dass ist die Stärke dieses Buches. Nur die Figuren bleiben seltsam flach und unerreichbar. Mir fehlt die Entwicklung, die Figuren handeln, bleiben aber seltsam eindimensional. Sie haben keine Chance, sich zu ändern und etwas zu ändern. Ob das so beabsichtigt ist? Beide Protagonisten bleiben mir fremd bis zum Ende des Buches. Immer wieder ist der Handelnde doch der Passive. Und auch wenn die Ereignisse eine andere Wendung nehmen, Franziska zurück kommt, bleibt es für mich als Leser unbefriedigend. Die Personen werden für mich nicht lebendiger.
Wie erzählt wird, ist mehr als lesenswert. Und auch was hinter der Geschichte steckt, lohnt die Zeit des Nachdenkens darüber. Doch der Autor hat hier sein Potential nicht ausgeschöpft. Schade.