Zögerlicher Archivar im Schneckenhaus

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emmmbeee Avatar

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Als die Sängerin Fabienne noch Franziska und ein Schulmädchen war, begann die Freundschaft (oder war es damals bereits Liebe?) zwischen ihr und dem Erzähler, dessen Namen nie genannt wird. Die beiden treffen sich nur sporadisch, ein gemeinsames Glück bleibt ihnen verwehrt. Und doch hat sie ihn so stark an sich gebunden, dass er sich auf keine andere Frau richtig einlassen konnte und auch keine Wünsche ein trautes Heim betreffend hegte.
Er sieht Gott als den großen Archivar, das Universum als ein unendliches Archiv. Als an seinem Arbeitsplatz ein sperriges Archivgestell entsorgt werden soll, erwirbt er es, obwohl in seinem Keller kaum Platz dafür ist. Hier dokumentiert er all seine Erinnerungen an Franziska, legt Listen an, eine regelrechte Akte. Ein in den Keller verbannter Liebesschatz. Eine archivierte Zögerlichkeit.
Seine eigenen Gefühle sieht er distanziert, wie durch ein schützendes Panzerglas. Mehr und mehr in sein Schneckenhaus verkrochen, wird er zum wortkargen, antriebslosen Einsiedler. Vor allem kann er sich kaum entscheiden, wenn er es sollte, egal, in welchem Zusammenhang. Sich selbst bezeichnet er durchaus treffend als „der Dabeiseiende“.
Das sehr nüchterne Coverbild zeigt eine Frau, die im Gehen begriffen ist. Eben noch da – und schon fort. So sehr ich die Sprache und den Erzählfluss in Peter Stamms Romanen mag, so sehr habe ich die Übersetzungen der französischen Textstellen vermisst. Wenigstens im Anhang wären sie kein Luxus gewesen.
Was das Lesen dieses Romans ebenfalls etwas mühsam machte, war die sparsam eingesetzte wörtliche Rede, noch dazu ohne Anführungszeichen. Auch die Fantasien oder Träume waren für mich manchmal erst im Nachhinein zu erkennen. Peter Stamm will es seinen Lesern nicht zu leicht machen. Empfohlen für alle Leser, die sich darauf einlassen wollen.