London 1910 - Zwei Gesichter einer Stadt

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Cover und Gestaltung gefallen mir sehr gut. Sie spiegeln den Glanz Londons wider, zeigen aber nur die eine Seite der großen Stadt. Hier wohnen und leben die Reichen und Schönen und genießen ihr Leben. Die andere Seite der Stadt ist gezeichnet von Armut und Bitterkeit und dem täglichen Kampf ums Überleben. Hier lebt die Protagonistin des Romans, Sarah Rosewell, mit ihrer Familie. Ihre Mutter arbeitet, trotz vieler Kinder, im angesagten Modesalon Weaver als Näherin, und dort soll auch Sarah das Nähen erlernen, zunächst jedoch ohne Bezahlung und ohne feste Anstellung. Der Vater ist ein gewalttätiger Trunkenbold, der die Familie tyrannisiert. Er arbeitet als Kohlenschaufler und gibt seinen kargen Lohn für Alkohol und Wetten aus.

Dieser Einstieg in die Geschichte und die bildhafte und interessante Beschreibung des Armenviertels Soho hinterläßt einen bitteren Eindruck und weckt Mitgefühl für die Menschen, die ohne Hoffnung auf Besserung hier leben.

Sarah Rosewells Glück besteht in der Bekanntschaft von Lady Sudbury, einer reichen Kundin im Modesalon Weaver. Sarah erweist sich als ehrliche Finderin einer wertvollen Brosche der Lady, woraufhin diese Sarah eine Stellung bei sich anbietet. Sie gibt ihr Gelegenheit, sich zu bilden und führt sie in die Gesellschaft ein.

Sarah erweist sich als intelligente junge Frau, die ein besonderes Interesse an Kunstgegenständen hat und durch Vermittlung von Lady Sudbury eine Anstellung in dem renommierten Auktionshaus Varnham erhält.

Die Autorin beschreibt Sarah als wißbegierige und begabte junge Frau, die überaus hübsch ist und durch Lady Sudbury mit der erforderlichen Garderobe ausgestattet wird.

Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Männer werden zum Kriegsdienst eingezogen, und so ergibt sich für Sarah als erste Frau überhaupt zur Expertin im Auktionshaus aufzusteigen. Gegen alle Widerstände setzt Sarah sich durch ihr Wissen durch, wobei sie viel lernen muß und ihr auch Fehler unterlaufen, die ihr durch ihre mangelnde Menschenkenntnis zum Verhängnis werden könnten.

Dies ist der zweite Teil des Buches, das nicht nur die Geschichte von Sarahs Aufstieg ist, sondern auch ganz viel von Sarahs Privatleben beschreibt.

Immer wieder ist da der Kummer und Schmerz über die in der Armut zurückgebliebene Familie, die Sorge um die Mutter und die Geschwister, obwohl Sarah hilft, wo sie kann. Und da ist die Trauer um ihre unglückliche Liebe zu dem Fotografen Philipp, der aus Standesgründen, wie dies damals oft üblich war, eine von den Eltern ausgesuchte Frau geheiratet hat, um die Familie vor dem Ruin zu retten.

Nachdem Sarah nach Wien reist , um dort Kunstgegenstände für eine Auktion in London zu begutachten, wird sie vor eine Entscheidung gestellt, deren Ergebnis der Leser aber erst im Fortsetzungsroman erfahren wird.

So bleibt die Spannung erhalten und ich freue mich schon, wenn ich hoffentlich bald weiterlesen kann. Das Schicksal von Sarah hat mich gefangengenommen. Die Autorin hat in Sarah eine mir von Anfang an sympathische Protagonistin erschaffen und durch ihre bildhafte und gut recherchierte Beschreibung der Zeit in London vor und während des Zweiten Weltkrieges und insbesondere auch durch die Einblicke in das Wirken in dem Auktionshaus Varnham ein wunderbares Zeitzeugnis erschaffen. Von mir eine klare Leseempfehlung an alle, die historische Romane mögen, an der Durchsetzungskraft von Frauen in schwierigen Zeiten interessiert sind und Sarah auf ihren Spuren weiterhin folgen wollen.