Landleben auf den Punkt gebracht.

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Rezension zu "Das Befinden auf dem Lande" von Björn Vedder

Das Dorf ist überall! Als Wahl-Ländlerin kann ich diesen Satz sehr gut nachvollziehen. Du wirst beobachtet, analysiert, bewertet und je nachdem was dabei rauskommt, dann auch behandelt. Hört sich erstmal sehr schlimm an, bei nährerer Betrachtung geht's aber.

Auch der Autor Björn Vedder ist aus der großen Stadt München aufs Land gezogen. Geblendet und verführt von Hochglanzmagazinen, die glückliche Menschen mit selbstgebackenen Broten aus blumenumrahmten Fenstern zeigen, wollte er diese Idylle auch für sich und seine Familie schaffen. Doch es war gar nicht so einfach in der ländlichen Gemeinschaft Fuß zu fassen. Das Neu-Sein ("a Zuagrasta") allein hätte wohl schon gereicht, aber als der Autor dann auch noch in Elternzeit gegangen ist und mit Vollzeitmüttern am Spielplatz seine Zeit verbrachte, wurde er vom Exoten zum Ausgestoßenen. Wie er damit umging, welche Erkenntnisse er aus der Zeit gewann und warum das Land (genauso wie die Stadt) ganz gemeine, aber auch ganz schöne Seiten hat, das alles erfährt man in diesem Essay.

An mehreren Stellen musste ich wirklich herzhaft lachen! Jede:r der:die aus der Stadt aufs Land gezogen ist (so wie ich) kann das alles nachfühlen, was Björn Vedder so erlebt hat. Ich könnte es wohl aber nicht so pointiert und humorvoll beschreiben wie er. Die Intelligenz dieses Mannes ist durch die Zeilen hindurch greifbar und ebenso sein unbändiger Drang die Eigenarten seines neuen Wahl-Zuhauses zu durchleuchten. Es hat mir unheimlichen Spaß gemacht ihn bei seiner Reise und seinen diversen ruralen Erkenntnissen begleiten zu dürfen und dabei Vergleiche mit meinem eigenen kleinen Dorf zu ziehen.
Als er zum Beispiel vom ansässigen Bootsverleiher eines seiner wertvollen heimischen Biere zum Anstoßen geschenkt bekam, konnte ich richtig spüren wie ein Teil von ihm sich über das neue Zugehörigkeitsgefühl gefreut hat. Ich selbst hatte viele von diesen Momenten seit ich aufs Land gezogen bin. Für Außenstehende muss es sich echt strange anhören, aber wenn du mittendrin steckst ergibt es plötzlich Sinn.

Ein Bekannter von mir hat es mal recht treffend ausgedrückt: "Am Land, das ist da wo alle blöd über dich reden, aber wenn du irgendwas brauchst, dann helfen alle zusammen." So ist es tatsächlich.

Besonders gut gefällt mir auch das Cover dieses Buchs. Es fühlt sich haptisch sehr gut an (erhabene Buchstaben) und hat ein tolles, handliches Format und das Buch innen eine angenehme Schriftgröße.
Auch die Aufteilung in einzelne Kapitel gefällt mir. Da kann man immer schön innehalten nach einem Abschnitt und ein wenig sinnieren.

Alles in allem Pflichtlektüre für "olle Zuagrasten" :-)