Das Streben nach Glück

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Rona Jaffes Roman Das Beste von allem aus dem Jahr 1958 - in deutscher Übersetzung 1959 erschienen - wurde 2005 in den USA neu aufgelegt und erscheint jetzt auch bei uns in einer Neuübersetzung. Das Buch gilt als Klassiker, als Vorläufer von Sex and the City und hat berühmte Autorinnen wie Mary McCarthy (Die Clique) und Sylvia Plath (Die Glasglocke) stark beeinflusst.

In diesem Roman geht es um fünf junge Frauen, die einander in dem New Yorker Verlag Fabian Publications begegnen und Freundschaft schließen. Zwei von ihnen arbeiten schon länger dort, drei treten am 2. Januar 1952 ihre Stelle an. Es sind dies Caroline Bender, 20jährige Absolventin des renommierten Radcliffe College, die von ihrem Verlobten Eddie Harris wegen einer anderen Frau verlassen wurde und mit Hilfe des Jobs im Schreibsaal ihren Liebeskummer vergessen will. Ebenfalls neu sind April Morrison, die eigentlich im Showbusiness arbeiten wollte und Gregg Adams, eine Schauspielerin ohne Engagement. Die junge Mary Agnes ist verlobt und spart zwei Jahre lang für ihre Hochzeit. Barbara Lemont ist erst 21, aber schon geschieden und alleinerziehende Mutter einer zweijährigen Tochter. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, die ihr Kind versorgt, während Barbara ihren Lebensunterhalt verdient. Die Ehrgeizigste von allen ist Caroline, die schon früh Lektoratsaufgaben übernimmt und selbst Lektorin werden möchte. Eines haben sie alle gemeinsam: sie suchen den richtigen Mann, den, der sie glücklich machen wird, denn für alle ist die Ehe das angestrebte Ziel. Insofern ist der Roman in keiner Weise feministisch geprägt, auch wenn Caroline an einer Stelle geradezu revolutionäre Ideen äußert. Sie wehrt sich dagegen, dass die Heirat für eine Frau automatisch das Ende ihrer Berufstätigkeit bedeutet. Es ist die persönliche Tragik mehrerer dieser jungen Frauen, dass die Männer, in die sie sich verlieben, keineswegs an einer Eheschließung interessiert sind.

Der Roman behandelt drei Jahre im Leben der fünf Frauen, vom 2. Januar 1952 bis Weihnachten 1954. Er beschreibt ihre Hoffnungen und Enttäuschungen, ihre Liebesbeziehungen und ihren Berufsalltag, und er zeigt, wie sie sich verändern. Nicht für alle gibt es ein Happy End. Der Roman spricht eine Reihe von Themen an, die zum Teil tabuisiert waren: Sex vor der Ehe, Beziehungen mit verheirateten Männern, ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung und nicht zuletzt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die noch nicht einmal begrifflich existierte, geschweige denn als Straftatbestand. Das Buch hatte deshalb einen solchen Erfolg, weil sich Millionen von jungen Frauen darin wiederfanden. In ihrem Nachwort von 2005 für die amerikanische Neuauflage, das Rona Jaffe kurz vor ihrem Tod schrieb, bezeichnet sie ihren Roman als soziologisches Dokument. Ihr Buch basiert auf ihren eigenen Erfahrungen als junge Frau in einem New Yorker Verlag, und sie hat Interviews mit fünfzig Frauen geführt. Dennoch ist es natürlich kein Tatsachenbericht, sondern Fiktion. Dass der Roman so ehrlich und authentisch wirkt, ist das Geheimnis seines Erfolgs.

Der nostalgische Charme, der mich schon in der Leseprobe beeindruckt hat, ist typisch für den ganzen Roman. Da ist einmal die technische Ausstattung der Büros vor der Erfindung des Computers - die Schreibkräfte werden mit Stenoblock zum Diktat gerufen oder tippen handschriftliche Notizen ab - zum anderen die Mode der Zeit, die den heutigen Leser belustigt schmunzeln lassen, zum Beispiel wenn weiße Baumwollhandschuhe und ein graues Tweedkostüm mit einem Kragen aus Waschbärfell als der Gipfel der Eleganz gelten. Ich habe diesen Roman trotz der Länge von fast 660 Seiten gern und mit großem Interesse gelesen, weil er dem Leser sowohl das aufregende Leben im pulsierenden, sehr lebendigen New York der 50er Jahre als auch die individuellen Schicksale junger Frauen in der damaligen Arbeitswelt näher bringt. Ein sehr empfehlenswertes Buch.