Beängstigend, emotional, düster und großartig gelesen!

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hundenaerrin Avatar

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Rachel und ihr Bruder Robert leben mit ihren Eltern in Brava, der Hauptstadt von Krasnia. Seit der Militäranführer Charles Malstain durch einen Putsch an die Macht gelangt ist, dürfen Kinder nur noch vor die Haustür, um zur Schule und wieder zurück zu gehen. Abends herrscht eine Ausgangssperre, ebenso sind alle Freizeitaktivitäten stark eingeschränkt worden, denn Vergnügen ist Malstain zuwider. Eines Tages nimmt ihr Vater Felix Rachel und Robert mit in die örtliche Bücherei, in der er arbeitet. Malstain will das Buch der gestohlenen Träume an sich reißen, das in der Bücherei verwahrt wird, denn es besitzt magische Kräfte. Die Kinder fliehen mit dem Buch, ihr Vater jedoch wird gefasst und in ein Straflager gebracht. Nun ist es die Aufgabe der Kinder, das Buch zu beschützen. Doch als auch noch ihre kranke Mutter stirbt, sollen die Kinder in ein Heim verbracht werden. Aber was geschieht mit dem Buch? Charles Malstain darf es unter keinen Umstände in die Hände bekommen, denn es kann Tote von der anderen Seite zurückholen…
Die tiefe, etwas rauchige Stimme von Simon Jäger passt hervorragend zu dieser düsteren und doch recht melancholischen Geschichte. Mehr als einmal habe ich mich von ihm in den Bann von Hoffnungslosigkeit, der Brutalität eines totalitären Regimes und der Trauer der Kinder über den Verlust ihrer Eltern ziehen lassen. Eine Gänsehaut war meine permanente Begleitung durch die Tiefen dieser Story. Aber zeitgleich ist es auch eine Geschichte über Widerstand, Kampfgeist, Zusammenhalt und Familie. Im Fokus steht ein unglaublich starkes Geschwisterpaar, das sich in den Widrigkeiten ihres Lebens nicht verliert, und dass, obwohl ihnen alles genommen wird. Rachel und Robert sind willensstark, autark, verantwortungsbewusst und zielstrebig, denn die Hoffnung darauf, ihren Vater aus dem Straflager befreien zu können, geben sie niemals auf.
Für mich ist dies absolut kein Kinderbuch, oder jedenfalls keines, was Kinder unter ca. zwölf Jahren allein lesen sollten. Ein gewisses Grundverständnis von totalitären Regimen, von Diktatur, Unterdrückung, dem Widerstandskampf und der realen Historie sollte bereits vorhanden sein. Mehr als einmal musste ich an die Geschwister Scholl denken bei der Lektüre. Auch wenn hier deutlich fantastische Elemente in die Geschichte eingewoben sind, sind die realpolitischen Bezüge offensichtlich und sollten – so finde ich – gemeinsam betrachtet und aufgearbeitet werden. Mich selbst hat die Geschichte ganz schön mitgenommen und belastet, besonders in Hinblick auf die aktuelle politische Weltlage (Afghanistan, Iran, Israel). Nichtsdestotrotz ist die Botschaft dieses Buches ganz wunderbar herausgearbeitet: Organisierter Widerstand gegen Ungerechtigkeiten und Diktatoren lohnt sich immer!
„Das Buch der gestohlenen Träume“ ist definitiv keine Geschichte für Zwischendurch! Einordnen würde ich es auch eher als Jugendroman und nicht als Kinderbuch. Die Leser erwartet hier eine spannende, emotional mitreißende und zum Teil verstörende Erzählung, die es aber in jedem Fall wert ist, gelesen oder – wie in meinem Fall – gehört zu werden.