Ein magischer Appell an die Moral

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„Vielleicht hat es etwas damit zu tun, was Mama den ‚moralischen Kompass‘ nannte. Einige verlieren ihn eine Zeit lang, andere für immer.“ (David Farr)

Zum Inhalt:

Ein Land, in dem ein herzloser, machthungriger Diktator herrscht, der freies Denken, das Lesen von Büchern und besonders die Freiheit der Kinder stark einschränkt.
Eine Familie, deren Schicksal durch den Willen das Richtige zu tun bestimmt ist.
Ein magisches Buch, das alles verändert…und zwei Geschwister mit dem Mut, es mit allen Mitteln zu beschützen.

Meine Eindrücke:

„Das Buch der gestohlenen Träume“ ist das erste Kinderbuch des britischen Drehbuchautors und Regisseurs David Farr, empfohlen ab 11 Jahren. Es ist der erste Teil einer Fantasy-Reihe. Teil zwei erschien im englischen Original ebenfalls diesen Monat.

David Farrs Schreibstil hat mich von der ersten Seite an gepackt: spannend, durchaus anspruchsvoll, aber sehr leicht zu lesen. Dazu noch sehr bildlich und teils tiefgründig.

Als sehr unterhaltsam und gelungen, empfand ich, die direkten Ansprachen des Erzählers, die immer dann auftraten, wenn eine Führung des Lesers hilfreich war: in der Einleitung, vor Zeitsprüngen und auch im Romanverlauf als kleine Erinnerungen an bestimmte Details. Sie leiteten mich nicht nur, sondern gaben mir auch das Gefühl, wirklich in der Welt um Krasnia zu sein – und zwar mitten im Geschehen.
Die Welt um Krasnia ist wunderbar entworfen, weist einige Parallelen zu unserer Welt auf, scheint allerdings weniger technologisiert, was ihr einen besonderen Charme verleiht: Luftschiffe sind die schnellste Reisemöglichkeit und Zeitung und Radio die gängigen Informationsquellen.

Die zwei jungen Protagonisten, Rachel und ihr Bruder Robert, waren mir sofort sympathisch. Sie sind sehr unterschiedlich und haben beide ihre besonderen Stärken. Sie sind beide überaus mutig und bereit für das zu kämpfen, was ihnen wichtig ist.
Von ihrer Leidenschaft lebt dieser Roman. Ich habe mit ihnen getrauert, mit ihnen gehofft, gekämpft, gerätselt und gelitten. Ihre Wegbegleiter sind ebenfalls wundervoll entworfen und tragen einen entscheidenden Teil zu der gefühlvollen Ebene bei.
David Farr ist es gelungen, Emotionen und Spannung in einem wunderbar ausgewogenen Verhältnis miteinander zu verbinden.

Denn die Spannung ist von Beginn an hoch: erst im Romanverlauf erfahren wir, welche Hintergründe uns in die „jetzige“ Situation geführt haben. Auch müssen viele Rätsel gelöst, Spuren verfolgt und Gefahren überwunden werden.
Sicher, einige Situationen verlaufen sehr glücklich und ohne große Umschweife – aber das ist für dieses Genre nur angemessen und war für mich als Ausflüglerin in das Kinderbuchgenre sehr erfrischend.
Lediglich über die magischen Funktionen des „Buchs der gestohlenen Träume“ hätte ich gern noch etwas mehr erfahren ;-)

David Farrs Roman ist ein Buch über Familie und Freundschaft, Mut und Entbehrung, Diktatur und Widerstand, Magie und die Liebe zu Büchern und Worten. Doch vor allem auch, über den moralischen Kompass eines jeden Menschen.
Was ist richtig? Was ist falsch? Nach welchen Werten, welchen Idealen, will ich handeln?
Viele Charaktere stehen vor der Wahl, das Richtige zu tun, auch wenn es gefährlich ist – und nicht nur ihre eigene Zukunft, sondern die eines ganzen Landes hängt davon ab…

Mein Fazit:

Alles in allem war es für mich ein wundervolles Leseerlebnis. Obwohl an Kinder adressiert, ist es auch für Erwachsene ein Genuss und eine Ermunterung uns selbst zu fragen:
Bin ich dazu bereit, das Richtige zu tun? Und wie weit würde ich dafür gehen?
Eine klare Leseempfehlung von mir an alle großen und kleinen Magie-Liebhaber mit einer Leidenschaft für Bücher.