Alle hatten sich geirrt …

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sikal Avatar

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… oder doch nicht?
Als Literaturagent Katz ein Manuskript von Richard Flynn erhält, das mit einer spannenden Geschichte aufwartet, ist er sofort fasziniert: In dem Manuskript - es scheint autobiographische Züge Flynns aufzuweisen – wird unter anderem über die Ermordung Joseph Wieders, Psychologe, berichtet und dessen Verbindung zu Flynn sowie Laura Baines. Doch plötzlich endet das Manuskript und Katz bleibt etwas ratlos, dafür umso neugieriger zurück. Was steckt hinter der Geschichte? Was ist hier wahr und was wurde zum Konstrukt der Fantasie? Katz bittet den Reporter John Keller die Spur aufzunehmen und Licht ins Dunkel zu bringen. Als John sich dem Thema annimmt, ahnt er noch nicht, welch weitreichende Folgen dieser Auftrag für ihn haben wird …

Im Laufe des Romans ergeben sich immer weitere Fragen, die den Leser (und auch John Keller) beschäftigen. Welche Rolle spielte Laura? Hat Wieder alle Beteiligten manipuliert? Was haben die versteckten Papiere in Wieder’s Schrank mit der Geschichte zu tun? Stimmt Richards Geschichte überhaupt? Wie passt Derek – der quasi „Hausmeister“ von Prof. Wieder – in dieses Bild, der psychische Probleme vorzuweisen hat und Jahre zuvor seine Frau ermordete? Oder ist Derek Opfer und nicht Täter? Oder vielleicht beides?

E.O. Chirovici schafft es einen Spannungsbogen aufzubauen und diesen auch zu halten, er fesselt, fasziniert, schafft ein Labyrinth an Wegen und Irrwegen, um zuletzt doch noch ein rundes Bild entstehen zu lassen. Seine Sprache ist sehr niveauvoll und bildgewaltig.

Die Charaktere sind durchwegs etwas distanziert – oder es scheint nur so, wie so vieles in dem Roman. Richard ist sehr sympathisch, doch vermutlich will der Autor, uns dies glauben lassen. Wird doch der erste Teil der Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Erst mit der Zeit erhält man weitere Einblicke, als Reporter John und später noch Ex-Polizist Roy zum Ich-Erzähler werden. Laura wirkt auf den Leser als miese Person, die alle hinters Licht führt und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Auch Professor Wieder kommt nicht gut weg, er manipuliert, experimentiert und schafft ein mysteriöses Umfeld.

Im Laufe des Romans muss man als Leser erkennen, dass Erinnerungen an Vergangenes oft nichts mit der Wahrheit zu tun haben und die unterschiedlichen Wahrnehmungen eben auch ein unterschiedliches Bild ergeben. Hier wird der Leser eingeladen, es den handelnden Personen gleichzutun und sich ebenso sein eigenes Bild zu schaffen. Einige Nebenhandlungen hätte ich hier zwar nicht gebraucht, doch im Großen und Ganzen ein tolles Buch.

„Alle hatten sich geirrt und durch die Fenster, in die sie zu spähen versuchten, und die sich am Ende alle als Spiegel herausstellten, nur immer sich selbst und ihre eigenen Obsessionen gesehen“.