Ambivalenter Eindruck

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sago Avatar

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Was war ich gespannt auf diesen Roman, der schon vor Erscheinen in 38 Länder verkauft worden sein soll. Auch wenn er mich gut unterhalten hat, kann ich diesen Wirbel nicht ganz nachvollziehen.
Das Thema klang zunächst sehr spannend: Wir sehr können wir unseren eigenen Erinnerungen vertrauen? Eine Kindheitsbegebenheit, bei der der Autor später festsellen musste, dass er entgegen seiner Erinnerung gar nicht selbst dabei war, brachte ihn auf die Idee. Aber kann das einen ganzen Roman tragen?
Der Plot startete zunächst fulminat: Der Literaturagent Peter Katz bekommt von einem Mann namens Richard Flynn die ersten Kapitel eines Romans zugesandt. Dieser soll auf Erlebnissen Flynns im Jahr 1987 beruhen und ein völlig neues Licht auf die Ermordung des bekannten Psychologie-Professors Wieder werfen. An der spannensten Stelle bricht das Manuskript ab. Katz muss feststellen, dass Flynn kürzlich verstorben ist. Dessen Lebensgefährtin weiß angeblich nichts von dem Roman. Katz beauftragt den Detektiv John Keller damit, das Manuskript zu finden. Von da an übernimmt dieser die Ich-Erzählung, gefolgt von dem Polizisten Freeman, der damals die Ermittlungen leitete. Nach dem ersten Perspektivwechsel fiel die Spannungskurve sehr ab.
Wie in einem Spiegelkabinett ergeben sich in der Rückschau bei den Erzählungen der verschiedenen Zeugen unterschiedliche Mosaikstücke, die schließlich zur wahren Lösung des Falls führen.
Leider bleiben die Erzähler jedoch recht eindimensional, ebenfalls wie die Oberfläche eines Spiegels. Man erfährt zwar durchaus auch über sie private Details; jedoch huscht die Erzählung insgesamt zu sehr dahin, als dass sie echte Konturen gewinnen können. Besonders verwirrt hat mich die Entwicklung in Bezug auf Richard Flynn selbst. Dieser wirkt ruhig und geistig klar. Dass sich herausstellt, er solle sich eine ganze Liebesbeziehung nur eingeredet haben, hat mich nicht überzeugt. Insgesamt habe ich bis zum Schluss auf eine große Enthüllung gewartet, da mehrmals die Rede von geheimen psychologiscchen Experimenten war, die Prof. Wieder durchführte. Hätte sich herausgestellt, dass Flynn ohne es zu wissen Teil solcher Experimente war, hätte der Roman für mich ein rundes Bild ergeben. So endete er für mich etwas unbefriedigend.
Die Stärke des Romans sind zum Teil feine Beobachtungen menschlicher Verhaltensweisen. Die Sprache bleibt jedoch metaphernarm und mittelmäßig. Zurück bleibt das Gefühl, als fehle ein Teil der Geschichte. Es handelt sich um eine interessante Idee, aus der man sicher viel mehr hätte machen können.
Das Cover bleibt ohne Wertung, da der Verlag ohne Vorwarnung nur eine sehr billig wirkende Fotokopie in Manuskriptform zur Verfügung stellte. Diese fiel zügig auseinander und machte das Lesen zusammen mit der winzigen Schrift zu einem wahren Missvergnügen.